Die Messerer in Steinbach an der Steyr

Ein seltsames Handwerk

Vor ungefähr 700 Jahren schenkte Herzog Leopold VI. von Österreich dem Kloster Garsten das Land am Unterlauf der Steyr.

Die Mönche schickten Bauern in die Gegend, um den Urwald zu roden, fruchtbares Ackerland zu schaffen und Höfe zu erbauen.

Auch Handwerker sandten die Garstener Mönche ins Land: Maurer, Schmiede, Sägemüller, Wagner und Zimmerer.

Zuletzt brachten die Mönche Messerschmiede nach Steinbach. Dreizehn hölzerne Werkstatthütten mit Wasserrädern erstanden am Ufer der Steyr. In jeder Werkstatt gab es eine Schmiedeesse und einen großen Hammer, einen Schleifstein und Polierscheiben.

Das Messererhandwerk war ein erlernbares Gewerbe mit Meister, Gesellen und Lehrlingen. Es gab drei Gattungen von Messerern: Klingenschmiede, Schleifer und Polierer.

Die Schleifsteine wurden in einem einheimischen Steinbruch gewonnen. Für die Schmiedeessen brauchten die Messerer Holzkohle. Auf den Abhängen eines Berges in der Forstau wurden von den „Kohlbauern“ Bäume geschlagen. Die Stämme ließ man in einer Riese, das ist eine Rinne aus Baumstämmen, zu Tal rutschen, wo sie in den Kohlenmeilern zu Holzkohle verglost wurden. Der Berg heißt noch heute „Riserberg“ und die Talsohle „Kohlboden“.

Das Eisen holten Fuhrleute mit schweren Wagen auf der „Eisenstraße“ vom steirischen Erzberg oder von den Eisenhändlern in Steyr. Fast ununterbrochen waren die Kohlen- und Eisenfuhrwerke unterwegs.

Es wurden nicht nur Messer erzeugt, sondern auch Taschenfeitel und Scheren, zeitweise auch Dolche und sogar Schwerter, die der Kaiser zum Kriegführen schmieden ließ.

Die fertigen Waren übernahmen die „Messerverleger“ zum Verkauf. Sie rüsteten Wagenzüge aus, nahmen zum Schutz gegen Räuber bewaffnete Reiter mit und zogen so in die östlichen Länder bis in die Türkei. Wenn sie nach einem halben Jahr oder noch später glücklich heimkehrten, brachten sie aus den fremden Ländern Teppiche, wertvolle Stoffe, Schmuck und Gewürze mit.

Die Söhne der reichen und vornehmen Messerverleger wurden von einem Hauslehrer in Fremdsprachen, Erdkunde, Schreiben, Lesen und Rechnen unterrichtet. Für andere Kinder gab es damals keine Lehrer und keine Schulen.

Die Messerermeister waren sehr wohlhabend. Die schönen Häuser, die sie erbauten, zeugen heute noch davon.

Die Messerer-Innung

Im Jahr 1422 schlossen sich die Messerermeister zu einer Innung zusammen, um ihren Wohlstand durch gegenseitige Hilfe zu vermehren.

Sie bauten gemeinsam ein einziges großes Werkstättengebäude. Mit einem Wehr stauten sie das Steyrwasser und betrieben damit ein riesiges Wasserrad, das alle Polierscheiben, etliche Schleifsteine und einen einzigen Riesenhammer antreiben mußte. Knapp neben dem Werk verbanden sie die Ufer der Steyr mit einer Brücke.

Gemeinsam kauften die Messerermeister Eisen und Kohle ein und verkauften wieder gemeinsam die fertigen Waren. So ersparten sie viel Geld und wurden noch reicher. Überall im Lande sprach man vom „Goldenen Steinbach“.

Die Innung gründete auch eine „Bruderlade“. Das war ein Unterstützungsverein für kranke, verunglückte und alte Messerermeister, für ihre Witwen und Waisen. Ein Bauernhaus wurde als Versorgungsheim für arbeitsunfähige Gesellen eingerichtet. Der Hof heißt noch heute „Gsöllhof“.

Sie erwarben die stattliche „Hoftaverne“, ein Jagdschloß des Herzogs, und richteten sie als Innungsherberge ein. Dort hielten die Meister Sitzungen und Versammlungen ab. Oft gab es auch im Innungshaus fröhliche Unterhaltungen.

Der Messerer-Jahrtag

Jedes Jahr am ersten Sonntag im Oktober wurde der Messerer-Jahrtag gefeiert.

Zuerst zogen die Messerer in prächtigen Gewändern mit der mächtigen Innungsfahne zum Gottesdienst. Dann war in der Innungsherberge die Jahreshauptversammlung. Neue Lehrlinge wurden dabei aufgenommen und Gesellen feierlich freigesprochen. Auch die Warenpreise und die Mitgliedsbeiträge für die Bruderlade wurden festgesetzt und Unterstützungen beschlossen.

Nach der Jahreshauptversammlung fand ein großes Festmahl statt, das den ganzen Nachmittag dauerte. Daran schloß sich eine fröhliche Tanzunterhaltung. Am nächsten Tag war ein Totenamt für die verstorbenen Messerer. Eine Wallfahrt nach Adlwang beendete den Jahrtag.

Das Messerer-Wappen

Die deutschen Kaiser waren den Messerern gut gesinnt. Mancher Kaiser kam persönlich nach Steinbach, um Schwerter zu bestellen. Dabei erbaten die Messerer für sich allerlei Vorteile.

Der Messerer-Geselle Gregor Prinzinke zog mit dem Ungarnkönig Siegmund in den Krieg gegen die Türken. In einer Schlacht rettete er dem König das Leben. Dafür schlug ihn der König zum Ritter. Er bekam auch ein Wappen: eine Krone mit drei durchgesteckten Schwertern. Als Ritter Gregor starb, war Siegmund deutscher Kaiser. Die Messerer erhielten auf ihre Bitte vom Kaiser das Recht, Gregors Wappen zu führen und Degen zu tragen.

Darauf waren sie sehr stolz. Sie zierten mit diesem Wappen das Innungsgebäude, die Innungsherberge, ihre Häuser, auch die Messer und Schwerter. Auf manchen Häusern in Steinbach kann man heute noch das Wappen sehen.

Schlechte Zeiten

Den Messerern ging es viele hundert Jahre gut. Doch es kamen auch schlechte Zeiten für sie.

Im Dreißigjährigen Krieg wagten sich die Messerverleger nicht mehr in fremde Länder. Die Waren konnten nur mehr im Inland verkauft werden.

Die evangelischen Messerer mußten auf Befehl des Kaisers Ferdinand II. auswandern. Etliche Messerermeister zogen mit anderen Messerern aus dem Steyrtal nach Deutschland und gründeten in Solingen eine neue Innung. Die Solinger Waren wurden von da an lieber gekauft als die von Steinbach.

Das Geschäft der Steinbacher Messerer-Innung wurde immer schlechter, und aus dem „Goldenen Steinbach“ wurde allmählich ein armes Steinbach.

Das Ende

Nach dem Ersten Weltkrieg kauften reiche Fabriksherren den verarmten Messerern die Innung ab. Aus dem Gewerbe wurde ein Fabriksbetrieb. Es gab keine Meister mehr, sondern nur Hilfsarbeiter an Maschinen.

Zuletzt gehörte die Fabrik der Firma Franz Pils und Söhne. Im Zweiten Weltkrieg mußte das Werk Waffen erzeugen. Im Jahre 1967 wurde die Fabrik geschlossen. Hundert Familienväter mußten anderswo ihr Brot suchen. Heute steht das große Fabriksgebäude leer.

Eine stolze Vergangenheit ist endgültig vorbei, nur die Erinnerung daran wird noch wachgehalten durch Bauten und Wahrzeichen aus jener Zeit.

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine

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