Die Pest im Windischgarstnertal
An einem Winterabend kamen zwei fremde Lumpensammler in das Brunlitzergut und baten um Nachtherberge. Die Bäuerin wies auf eine kleine Holzhütte in der Nähe des Hofes. „Dort in der Haarstube könnt ihr übernachten“, meinte sie. „Ihr stört uns auch nicht, wenn ihr einige Tage länger rasten wollt.“
Die beiden Fremden murmelten einige Dankesworte und stapften dann mühsam durch den tiefen Schnee zur Hütte hinüber. Sie fanden dort Stroh und Heu, aus dem sie sich ein Nachtlager bereiteten.
Am nächsten Tag wurden die zwei Fremden nicht mehr gesehen. Die Bäuerin dachte: „Sie werden schon am frühen Morgen weitergewandert sein, ohne sich zu verabschieden.“
Nach einigen Wochen trat die Schneeschmelze ein. Die Magd hatte in diesen Tagen in der Haarstube zu tun. Beim Öffnen der Tür prallte sie entsetzt zurück, denn ein fürchterlicher Geruch schlug ihr entgegen. Nur einen Blick hatte sie ins dunkle Innere der Haarstube getan, als sie auch schon laut schreiend zum Hof zurückrannte: „Die beiden Fremden liegen tot in der Haarstube!“ gellte es durch das stille Bauernhaus.
Nach kurzer Zeit betrat der Bauer unerschrocken die Hütte. Als er aber die zwei Toten genauer ansah, wich auch er zurück. „Der Schwarze Tod!“ ächzte er und verließ fluchtartig die Haarstube.
Von diesem Tag an ging die Pest im Windischgarstnertal um. Viele Menschen starben an dieser schrecklichen Krankheit. Mancher Bauernhof stand bald ausgestorben oder verlassen da.
An vielen Orten erinnern uns noch Steinsäulen an die Pestzeit. Eine steht außerhalb des Marktes an der Pyhrnstraße. Dort heißt es im Volksmund „Beim toten Mann“.
Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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