Sensenerzeugung

Als unsere Großeltern noch jung waren, da dröhnten in den Tälern unseres Bezirkes noch schwere Sensenhämmer. Im Garstnertal waren es neun solche Sensenwerke. Von diesen hat sich nur eines erhalten: das Schröckenfux-Werk in Roßleithen. Es ist zugleich das einzige im Bezirk, das noch in Betrieb ist.

Am Weg zum Pießlingursprung liegt dieses Sensenwerk. Wer bei einem der vielen Fenster hineinspäht, der sieht drinnen ein paar riesige Hämmer und bei jedem Hammer drei Männer. Zwei stehen an einer Feueresse, reißen alle paar Minuten mit einer Zange einen glühenden Eisenstab, den sie den Zain nennen, aus dem Feuer und schlagen ihn auf eine Eisenplatte, daß es hell klingt und die Funken stieben. Dann reichen sie den Zain dem Mann, der an dem schweren Hammer sitzt.

Aber was für ein Hammer ist das! Der Stiel aus Rotbuchenholz ist 3 m lang und 26 cm stark, der Hammerkopf ist 80 kg schwer. Ein drei Meter hohes Wasserrad bewegt ihn. Doch das kannst du nicht sehen, es läuft außerhalb der Bretterwand und wird vom Werksbach getrieben. Der Mann, der an dem Hammer sitzt, der Eßmeister, muß sehr geschickt sein. Er zieht und schiebt den glühenden Eisenstab unter dem Hammer hin und her, wendet und dreht ihn. Dabei wird der Zain immer breiter. Mehr als 120 Schläge in der Minute fallen und kein Schlag darf unbeabsichtigt dieselbe Stelle treffen oder leer auf dem Amboß aufschlagen.

Wer aber glaubt, die beiden Heizer und der Eßmeister seien die einzigen, die an einer Sense arbeiten, der irrt sehr. Durch neunzehn Händepaare ging früher eine Sense, heute sind es deren weit mehr.

Nach dem Eßmeister bekommt die Sense der Abrichter. Er richtet den Sensenrücken auf und färbt die Sense über einer Flamme blau oder läßt sie weiß.

Im nächsten Arbeitsgang, beim Ausmachen, wird die Sense an der Schneide beschnitten und dann gemärkt: Der Ausmacher prägt ihr die Sensenmarke ein und härtet sie in heißem Öl. Wenn man sich auf eine ungehärtete Sense stützt, verbiegt sie sich und bleibt verbogen, die gehärtete schnellt in die alte Form zurück. Die Hammerer geben der Sense mit Fausthämmern auf Ambossen eine leichte Wölbung. Eine richtig gewölbte Sense muß auf der Tischplatte waagrecht tanzen, wenn du ihr einen Schwung gibst.

Der Schleiferer schleift das Blatt an der Schneide eben und glatt, aber nicht scharf. Scharf macht sie erst der Bauer beim Dengeln.

Nun übernehmen Frauenhände die Sense. Sie färben, lackieren und vergolden sie stellenweise und schmücken sie mit Abziehbildern. Die Kunden in der Türkei oder in Pakistan wünschen diese Verzierungen, und wenn eine fehlt, schicken sie die Sensen zurück.

Heute lernen viel weniger junge Leute das Sensenhandwerk als einst. Unsere Bauern brauchen nicht mehr so viele Sensen, denn sie mähen mit der Maschine. Viele Länder in Europa und Asien haben eigene Sensenwerke gebaut.

Noch im Jahre 1880 wanderten sechs Millionen österreichische Sensen ins Ausland, drei Viertel davon nach Rußland. Heute werden aber in fast allen Staaten Sensen erzeugt.

Die meisten unserer Sensenwerke sind heute modern eingerichtet. Sie haben Federhämmer, Ölfeuerung statt der Kohlenfeuer. Das Wasser treibt nicht mehr das alte Wasserrad, sondern eine Turbine, diese wieder einen Dynamo und der den Hammer.

Im Jahr 1984 werden es vierhundert Jahre sein, daß ein Micheldorfer Sensenschmied diese Hämmer erfunden hat. Er hieß Konrad Eisvogel. Vor seiner Erfindung standen Eßmeister und Schlagbuben rund um den Schmiedeamboß und schlugen mit Handhämmern die glühende Sense breit. Wie schwierig war es da, an einem Tag 200 gute Sensen zu schmieden, und wieviel leichter wurde es dann. So hat ein einfacher Micheldorfer Arbeiter eine große Erfindung gemacht, die auch in den modernen Werken noch immer verwendet wird. Aber wer denkt noch an den Erfinder, den einfachen Sensenschmied Konrad Eisvogel!

Quelle: Heimatkundliches Lesebuch, Bezirk Kirchdorf an der Krems
Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft des Pädagogischen Institutes des Bundes für Oberösterreich, Verlag Quirin Haslinger, Linz
ISBN keine

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