Die Goisernburg

Nördlich vom dunklen Hallstättersee, im Talgrunde des weitbekannten Fleckens Goisern, breitete sich vormals eine vieltürmige Stadt aus. Sieben Klöster und sechzehn Kirchen waren dem Bischofe der Stadt untertan. Über den Häuserzeilen, am Abhange des Reichenstein, erhob sich die Goisernburg, der Sitz des stolzen Königs Cleonus.

Aber tief im Berge gähnte eine ungeheure Höhle, in der ein Drache hauste. Da er sich nie sehen ließ, hatte niemand Furcht vor ihm und Schloß und Stadt kümmerten sich wenig um die lauernde Gefahr.

Eines Nachts aber erscholl von der Bergwand her ein schauerliches Getöse; der Drache hatte mit seinen mächtigen Gliedern die Felsen durchbrochen und ungeheure Ströme Wassers ergossen sich über die erschreckte Stadt. Sand und Felstrümmer verschütteten die Straßen und erstickten die Bewohner. Auch die Goisernburg sank ein und der König samt der Königin und ihren vier Kindern, die Ritter und Edelfrauen und der ganze Troß verschwanden in dem aufgerissenen Schlunde.

Nichts mehr zeugt heute von der lauten Stadt, kein Turm, keine Mauer ist von dem Königsschlosse übrig geblieben. Nur ein Bach rauscht seither aus dem Berge hinab ins grüne Tal und die Sage raunt von entschwundener Herrlichkeit.

Hans Fraungruber

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 

 
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