Das gefangene Bergmandl

In längstvergangener Zeit, als im lieblichen Steyrtal noch die sechs Ritterburgen thronten, sah man einmal auf dem Vorsprung einer steilen Felsenwand ein Bergmännlein fröhlich herumspringen. Tagtäglich sah man es und viele Leute wurden auf das spaßige Männlein aufmerksam. Da ist so possierlich war, beschloss man, es zu fangen.

Die Herren Ritter von Rohr auf der Feste Leonstein veranstalteten, eine förmliche „Jagd“ auf das altersgraue Bergmännlein. Es glückte ihnen, das Bergmandl zu bekommen, ohne dass es beschädigt oder verletzt worden wäre. Sie nahmen es mit auf ihre Burg, wo sie es gut hielten. Es folgte ihnen, wohin sie auch gingen, auf dem Fuße nach. Aber es gelang ihnen nicht, aus dem Mandl auch nur ein Wort herauszubringen.

Da geschah es denn einmal, dass die Ritter mit ihren Gästen eine große Tafel gaben. Alles setzte sich zum Mahl, ohne, wie es üblich war, sich zu bekreuzigen. Da lachte das Männlein aus vollem Halse. Einer der Herren fragte es, warum es denn so ausgelassen lache. Da fing es das erste Mal zu sprechen an und sagte: „Der Teufel ist in die Schüssel gesprungen und hat sich in der heißen Suppe tüchtig verbrannt“.

Eines Tages machte sich das Bergmanderl unbemerkt davon und war dann wieder auf der gleichen Felsenwand, wo man es gefangen hatte, zu sehen.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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