Abt Berthold von Garsten

Berthold, sein Vater hieß Albert und seine Mutter Luitgarde, stammte aus dem Adelsgeschlecht der regierenden Grafen von Württemberg und waren verwandt mit den Babenbergern und Ottokaren. Berthold, der später so berühmte Abt von Garsten, war bis zum Jahre 1080 verehelicht mit Adelheid von Lechsmund. Als seine Gattin in noch jugendlichem Alter gestorben war, begab er sich in das Kloster St. Blasien im Schwarzwald, wurde Subprior, kam dann als Prior in das Kloster Göttweig, wurde dann von dem Markgrafen Ottokar VI., dem zweiten Stifter des Klosters Garsten, und den Mönchen ausgewählt und hielt im Jahre 1110 oder 1111 als Abt Berthold I. seinen Einzug in das Kloster Garsten. Kräftig mit Wort und Tat wirkte Berthold auf alle Menschen ein, verhinderte das Böse und verschaffte dem Guten überall Eingang. Von allen Gegenden zogen Pilger, hohen und niedrigen Standes, zu ihm, Belehrung, Trost und Hilfe zu erlangen; gebessert und getröstet begaben sie sich in die Heimat zurück. So flüchtete sich einst zu ihm der Raubritter Leo, der wegen seiner Verbrechen schon zum Tode verdammt war, das alte Asylrecht des Klosters in Anspruch nehmend. Berthold ließ ihm das Ordenskleid anlegen, nahm ihn als Mitglied des Stiftes auf und lieferte ihn den Gerichtsleuten nicht aus. Ein anderer Räuber namens Einwick, der bei Ausplünderung von Kaufleuten verwundet ins Kloster gebracht wurde, bekehrte sich, wurde Klosterbruder und führte dann ein beispielhaftes Leben.

Als im Jahre 1116, in jener Zeit des Investiturstreites zwischen Papst und Kaiser, der dem Oberhaupt der Kirche getreue Erzbischof Konrad von Salzburg vor dem Grimm des Kaisers Heinrich V. flüchtig, sich in Wäldern und Höhlen aufhielt und endlich nach Garsten kam, nahm ihn Berthold, nicht fürchtend die Rache des Kaisers, nur den unschuldig Verfolgten im Auge habend, gütig auf, bis er, wohl auf Bertholds Zutun, eine gesichertere Zuflucht auf der benachbarten Burg Ottokars VI., der Steyrburg, fand.

Daß von einem solchen bedeutenden Manne, der allen voranleuchtete, viele Legenden und Sagen im Umlauf waren und von Mund zu Mund gingen, ist begreiflich. So wird erzählt: Als einst der aus dem finsteren Waldtale, genannt "In der Höll", kommende Garstnerbach an der Südseite, wahrscheinlich nach starken Wolkenbrüchen, das Stift überschwemmte, befahl Berthold dem Bache, sich zurückzuziehen, und es geschah. Diese Legende ist so aufzufassen, daß jedenfalls Berthold die Ufer des Baches nachher erhöhen ließ und so den Bach in seine Schranken wies.

Fische kamen in Mengen auf sein Begehren herbei, den Bedürfnissen der Mönche zu dienen. Daher waren auch zwei Fische im Wappen des Stiftes. Selbst Kranke heilte sein Wort und böse Geister, wie es heißt, bannte sein frommer Spruch.

Als Abt Berthold, der an die achtzig Jahre alt geworden, im Sterben lag, standen die Mönche, denen er Zeit seines Lebens ein guter Vater gewesen, trauernd an seinem Sterbelager. Fieber und Durst quälten ihn. Mit schwacher Stimme bat er die Brüder, sie möchten ihm Wasser aus dem Brunnen im Klosterhofe bringen zur letzten Labe auf seiner Reise in die Ewigkeit. Zwei der Brüder holten Wasser vom Brunnen und setzten den Becher mit kühlem Trunk an seine Lippen. Der Abt nippte, setzte ab und sagte mit leiser Stimme: „Das meinte ich nicht, ihr lieben Brüder; Wasser, bitte, bringt mir." Die Brüder sahen sich verwundert an, denn sie meinten, der Sterbende rede schon irre. Doch sie holten noch einmal Wasser und gaben ihm zu trinken.

Abermals lehnte er ab und sagte: „Ihr meint es gut mit mir; aber nicht Wein aus dem Keller will ich, sondern Wasser vom Brunnen.“ „Wahrhaftig, hodtwürdiger Abt, es ist Wasser aus dem Brunnen, das Ihr wünschtet.“ Nun gingen alle Mönche mit den Zweien und schöpften Wasser aus dem Brunnen und brachten es dem Abt. Und zum drittenmale, als der Sterbende trank, war es Wein. Er dankte dem Herrn und pries ihn, daß er ihn beim Scheiden von dieser Welt mit Wein erquickte; denn das Wasser hatte sich in Wein verwandelt. Drei volle Züge tat der Sterbende, neigte sein Haupt und starb.

Noch einmal meldet nach 546 Jahren vom Abt Berthold die Sage:

Als am 4. Juni des Jahres 1686 die Gebeine des Abtes Berthold in eine Seitenkapelle der neuerbauten Kirche übertragen wurden, geschah etwas ganz Absonderliches. Die Wächter, die zur Nachtzeit um das Kloster girigen, erblickten mehr als einmal einen Mann in schwarzem Habit, wie ihn Äbte zu tragen pflegten, dahinwandeln, der jedoch, wenn sie an ihn herantraten oder mit ihm sprechen wollten, wieder verschwunden war. Es war nun alles klar, der Heilige habe jenen Schutz, den er sterbend dem Kloster mit den Worten: ,,Ich werde Euch nie verlassen!" verheißen hatte, offen kundgetan.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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