Das feurige Manderl

Der Großeitzenberger, Bauer auf dem Sonnberg, Gemeinde Garsten - er lebt schon lange nicht mehr - ging einmal eines Ochsenhandels wegen hinüber nach Laussa. Es war ein heißer und schwüler Sommertag. Ein gutes Stück Weges war er schon gegangen; auf die Umwelt hatte er nicht geachtet, weil seine Gedanken bei dem bevorstehenden Ochsenhandel waren. Während dessen hatte sich, wie er auf einmal wahrnahm, über dem Sonnberg ein mächtiges Gewitter zusammengezogen. Schwarz war es am Himmel und unheimlich stille ringsum; kein Blatt regte sich an Baum und Strauch, kein Vogel sang, nur dumpf rollte der Donner. Jeden Augenblick konnte das Unwetter losbrechen.

Da kein Haus in der Nähe war, suchte der Bauer Schutz bei einer großen Eiche, die ganz allein mitten in einer Weide auf dem Sonnberg stand; unter dem breiten Blätterdach des Baumes wollte er das Gewitter vorübergehen lassen. Wie er so bei dem Baume stand, des Unwetters harrend, bekam er plötzlich einen "Steßer" in die Kniebeuge, nach einer Weile wieder einen und dann noch einmal einen, im ganzen dreimal. Es war, als ob ihn jemand gerne vom Baume weghaben wollte.

"Na", sagte der Bauer ärgerlich, "ich kann eh weggehen auch". Und verließ den Baum. Kaum hatte er sich ein Stück von ihm entfernt, da schlug schon der erste Blitz, dem ein kurzer, aber heftiger Donnerschlag folgte, in den Eichbaum ein. Gleichzeitig rannte ein kleines, feuriges Manderl vom Baume weg über die blumige Wiese, hin gegen den Wald wo es sich verlor. Dieses Manderl hatte den Großeitzenberger, wie er gerne erzählte, gewarnt und ihm das Leben gerettet, das er gewiß verloren hätte, wenn er beim Eichbaume stehen geblieben wäre.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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