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Der scheltend Fleischhacker
Einst lebte in Steyr ein Fleischhacker, der wegen jeder Kleinigkeit arg fluchte und Gott lästerte. An einem Samstag abend - die Sonne war kurz vorher untergegangen und es dunkelte bereits - trieb er ein Kalb, das er von einem Bergbauem in Oberdambach gekauft hatte, heimzu gegen Steyr.
Als er zum Hohlweg kam, wo es bergab geht, blieb das Kalb stehen und war nicht mehr von der Stelle zu bringen; vielleicht hatte es Heimweh nach dem Stall, in welchem seine Mutter stand. Und jetzt sollte es auf dem steinigen Hohlweg durch den schon finsteren Wald in eine ungewisse Zukunft gehen, noch dazu mit einem steckenbewaffneten Zweibeinigen, der ihm ganz fremd war. Kurz und gut, der junge Zweihufer männlichen Geschlechts setzte sich und wollte nicht mehr weitergehen. Wie der Fleischhacker auch zog und zerrte, ihm einige Hiebe mit dem Stock versetzte, das Kalb ging einfach nicht.
Da hub der Fleischhacker so gotteslästerlich zu fluchen an, daß selbst die Bäume erschauerten und es stille ward ringsum. Plötzlich verlor der wüste Viehtreiber die Sprache und konnte mit seinem Kalb weder "hinfür" noch "z'ruck". Beide standen auf dem Sträßlein wie zu Stein erstarrt. Die ganze Nacht mußten sie, Fleischhacker und Kalb, festgebannt so stehen bleiben. Als am Sonntag früh Leute, die zur Kirche nach St. Ulrich gingen, zu der Stelle kamen, standen beide noch immer reglos da. "Na", sagten sie, "so treib's weg in Gotts Nam!" Da gingen das Kalb und der Fleischhacker ruhig weiter.
Der Kalbtreiber hatte die Sprache wieder und dankte den Leuten. Zum Gedenken an diese geheimnisvolle Begebenheit und zur Abwehr des Teufels, der, wie es heißt, hier im Spiele gewesen, hing man ein Bild mit den vierzehn Nothelfern an den Stamm eines Waldbaumes.
Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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