Der Teufel jagt einen Fensterlbuben

Ungefähr fünf Minuten außerhalb Großraming steht in der Nähe des großen und schönen Forsterbauernhauses eine alte, schlanke, schöngemeißelte steinerne Kreuzsäule, die von den Leuten das "Forsterbauern-Kreuzstöckel" genannt wird. Es ist, wie der Volksmund sagt, eine Pestsäule, die vor langer Zeit errichtet worden ist zur Erinnerung an die Pest, diese schreckliche Krankheit, die auch Großraming in den vergangenen Jahrhunderten mehrere Male heimgesucht hat, das letztemal im Jahre 1713.

An dieses Kreuzstöckel knüpft sich folgende merkwürdige Sage:

Ein junger Großbauernsohn ging - es ist schon lange her - einem uralten bäuerlichen Liebesbrauch folgend, gerne fensterln, mit Vorliebe aber immer an Freitagen nachts. Nun war aber das Fensterlngehen in Freitagnächten gerade nicht verboten, aber in dieser Nacht aus religiösen Gründen nicht üblich. Daher ging auch in dieser Nacht kein Bursch fensterln. Entweder waren dem Großbauernsohn die Burschen des Dorfes feindlich gesinnt oder er wollte mit Knechten nicht gerne zusammentreffen, darum ging er an Freitagen fensterln.

Wenn schon das Fensterlngehen in gewöhnlichen Freitagnächten aus vorgenannten Gründen nicht üblich war, so war das Fensterlngehen in einer Karfreitagnacht geradezu Übermut und eine Mißachtung der bäuerlichen guten Sitten. Und auch in einer solchen Nacht ging der Großbauernsohn fensterln. Das war aber dem Teufel, der stets auf der Lauer auf Menschenseelen ist, gerade recht. Wieder einmal war so eine Karfreitagnacht, in welcher der Großbauernsohn fensterln ging. Keine Dirn, noch weniger eine Bauernstochter schenkte seinem Liebesgeflüster in dieser Nacht Gehör am Fenster. Als er sich verdrossen und mißmutig um Mitternacht auf den Heimweg machte, sauste plötzlich der Teufel daher und jagte den übermütigen Burschen straßauf und straßab, bergauf und bergab, feldein und feldaus und ließ ihn nicht heim.

Als er schon fast am Ende seiner Kraft war und schier nicht mehr weiter konnte, kam er zum Forsterbauern-Kreuzstöckl, bei dem ein großer Birnbaum stand. Schnell kletterte der Bursch am Baum hinauf und blieb hoch droben in den Zweigen sitzen. Hier konnte ihm der Teufel nicht an, denn als das Kreuzstöckl geweiht wurde, war auch etwas von der Weihe auf den Birnbaum übergegangen. Der Teufel wartete, bis um fünf Uhr früh die Glocke vom Kirchturm von Großraming zum Gebet läutete. Da mußte der Teufel davon. Der Bursch stieg langsam herunter vom Baum und ging müde heim. Fensterln aber ist er in Freitagnächten nicht mehr gegangen, noch weniger in einer Karfreitagnacht.

Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5

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