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Die drei heiligen Jungfrauen
Hoch droben auf einem steilen Hange des 846 Meter hohen Arthofberges, eine Stunde von Maria Neustift entfernt, steht zwischen den Bauernhäusern Vorderkatzberger und Hinterkatzberger, die zehn Minuten auseinanderliegen, die alte Dichlberger-Kapelle. Ein schmaler, grasbewachsener Pfad führt vom Vorderkatzberger zur Kapelle. Vorerst aber muß man auf wasserüberspülten Steinen das Bächlein, das aus dem Walde kommt und munter plaudernd den Abhang hinunterläuft, übersetzen.
Die Kapelle steht auf einem kleinen, aus dem Steilhang vorspringenden, ebenen Platz. Ein ruppiger, stacheliger Weidezaun zieht einige Schritte vor der Kapelle am Steilhang aufwärts zum Bauernhause Dichlberger, dem das Heiligtum gehört. Dieser Weidezaun bildet die Grenze zwischen Maria Neustift und Großraming. Vor der Kapelle, im Zaun miteingeschlossen, steht ein mächtiger Lindenbaum; er ist somit ein Grenzbaum, dem einige hohe Eschenbäume Gesellschaft leisten, deren dichtbelaubte Äste sich schützend über die Kapelle breiten.
In der ziemlich großen halbrunden Kapelle stehen auf dem Altartische drei siebzig bis achtzig Zentimeter große gekrönte Statuen, darstellend die drei heiligen Marien; jede steht mit ihren Attributen in einem Glasschrein.
Alljährlich am Pfingstsonntag kommen die umwohnenden Leute in der Kapelle der drei heiligen Jungfrauen zusammen und verrichten dort laut Gebete, was sie Heiligengeistbeten nennen.
In der Nähe der Kapelle entspringt auf dem steilen Abhang im Walde, der an die Kapelle heranreicht, eine Quelle, deren Wasser als Bächlein an dem Heiligtum vorbeirinnt. Diese Quelle nennen die Leute den "geweihten Brunnen", der als solcher weit und breit bekannt ist. Eine Bäuerin, die drei Stunden entfernt in einem Waldgraben ihr Anwesen hat, sagte einmal: "Wenn alles heidnisch werden sollte und es auch keine Kirchen mehr gäbe, in der man sich Weihwasser für's Haus holen könnte, so wäre für diesen Zweck der genannte ,geweihte Brunnen' da, dessen Wasser dieselbe Wirkung besitze, wie das geweihte Wasser in der Kirche". Mehrere Sagen knüpfen sich an die Kapelle des geweihten Brunnens; jede wird anders erzählt, aber mit dem gleichen Thema:
Tod durch Kitzeln. Eine erzählt, daß einmal zwei Mädchen ein kleines Kind, ein Mäderl, weil es immer so herzlich lachte wenn es gekitzelt wurde, so lange kitzelten, bis es tot war. Eine andere Sage berichtet: Einst gingen drei junge, lustige Mädchen über die sonnige Weide und ließen sich dort in das Gras nieder, wo heute die Kapelle steht; sie waren ausgelassen und trieben allerlei Kurzweil. Eines der Mädchen war sehr kitzlig, das wußten die anderen zwei. Es gefiel ihnen, wenn sie recht lachte und sie hatten ihre Lust daran. Sie kitzelten ihre junge Gespielin so lange, bis sie nicht mehr lachen konnte, weil sie tot war.
Von Zeit zu Zeit hörte man nachher ein lautes, unheimliches Lachen, das schauerlich den Neustiftergraben entlang tönte. Erst als man zur Sühne für diese unsinnige Tat in der Nähe des. "geweihten Brunnens" eine Kapelle erbaut und die drei heiligen Jungfrauen auf den Altar gestellt hatte, hörte das schreckliche Lachen auf.
Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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