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Die Schnecken-Kapelle
Eine halbe Stunde südwärts von Steyr im Gemeindegebiet von St. Ulrich steht, bevor man zum Galgenhügel, der einstigen Gerichtsstätte der Burgherrschaft Steyr, kommt, am Rande eines kleinen Waldes, hart an der Eisenstraße eine kleine Kapelle, die hinter einem Eisengitter ein altes holzgeschnitztes Ecce-HomoBildnis birgt. Es ist die alte Schneckenkapelle, an die sich folgende Sage knüpft: Die Schneckenberger Bäuerin - tröst Gott ihre arme Seele, sie ist schon lange in der Ewigkeit - war eine fleißige aber auch eine etwas habgierige Frau. Die ganze Zeit ihres bäuerlichen Wirkens verstand sie es, die Milch, dieses wichtige Volksnahrungschittel, auf eine unredliche Art mit Wasser zu vermehren, um sich auf diese Weise einen größeren Gewinn zu sichern. Das galt damals, wo die Bäuerinnen die Milch noch selber zu den Kunden brachten, als große Sünde, um die sich die habgierige Bäuerin wenig kümmerte.
Als die Bäuerin gestorben war, erschien sie ihrem Manne, dem Bauern Sdtneckenberger, der redlicher Gesinnung war und von dem unseligen Treiben seiner Frau anscheinend nichts gewußt hatte, in einem Traumgesicht des nachts im Schlafe und erzählte ihm ihre Verfehlungen; sie bat ihn inständig, er solle zur Sühne ihres schändlichen und sündhaften Treibens drei Kapellen errichten lassen, da alle guten Dinge dreie seien, damit sie von ihrer Seelenpein, die sie in der Ewigkeit auszustehen habe, erlöst werde und endlich Ruhe finde.
Diese Bitte erfüllte der Bauer und ließ drei Kapellen erbauen, und zwar eine in Pesendorf, eine zweite in Mühlbach und die dritte, wie gesagt, unweit des Galgenhügels in der Freising.-Die Kapelle sollte eigentlich Schneckenberger-Kapelle heißen, weil aber das Volk lange Namen nicht liebt, wird sie, abgekürzt, Schnecken-Kapelle genannt ..
Ob die Schneckenberger-Bäuerin in der Ewigkeit von ihrem Seelenleiden erlöst worden ist, davon weiß die Sage nichts; dem Bauern aber ist sie, wie es heißt, im Schlafe nicht mehr erschienen.
Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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