LOHENGRIN

Der Herzog von Brabant und Limburg starb, ohne einen anderen Erben als eine junge Tochter zu hinterlassen, die Elsa genannt wurde. Diese empfahl er auf dem Totenbette einem seiner Dienstmannen, Friedrich von Telramund. Friedrich, sonst ein tapferer, redlicher Held, wurde übermütig und warb um der jungen Herzogin Hand und Land. Er gab dabei vor, daß sie ihm die Ehe gelobt habe. Da sich die Jungfrau standhaft seiner Nachstellung erwehrte, klagte Friedrich bei dem Kaiser, Heinrich dem Vogler, gegen sie und es wurde das Recht gesprochen, daß im Gotteskampf ein Held ihre Unschuld erweisen müsse. Als sich kein Streiter finden wollte, betete die Herzogin inbrünstig zu Gott um Rettung. Da erscholl durch ihr Gebet weit davon zu Montsalvatsch beim Gral der Laut der Glocke zum Zeichen, daß ein Mensch dringender Hilfe bedürfe. Alsobald beschloß der Gral, den Sohn Parzifals, Lohengrin, in die Welt auszusenden. Eben wollte dieser seinen Fuß in den Steigbügel setzen, als ein schöner Schwan auf dem Wasser geschwommen kam, der einen kunstvollen Nachen hinter sich nachzog. Kaum erblickte ihn Lohengrin, so rief er: „Bringt das Roß wieder in den Stall. Ich erkenne Gottes Wille und will mit dem Schwan ziehen, wohin er mich führt.“ Im Vertrauen auf den Allmächtigen nahm er keine Speise mit in das Schiff. Nachdem sie fünf Tage übers Meer gefahren waren, tauchte der Schwan seinen Schnabel ins Wasser, fing ein Fischlein heraus, aß es halb und reichte dem Fürsten die andere Hälfte.

Unterdessen hatte Elsa ihre Ritter und Mannen nach Antwerpen zu einer Landsprache berufen. Gerade am Tage der Versammlung sah man einen Schwan die Schelde heraufschwimmen, der ein Schifflein zog, in dem Lohengrin, auf seinen Schild ausgestreckt, schlief. Der Schwan landete bald am Gestade, und der junge, fremde Fürst wurde fröhlich empfangen. Kaum hatte man ihm Helm, Schild und Schwert aus dem Schiff getragen, als auch der Schwan schon wieder zurückfuhr. Lohengrin vernahm nun das Unrecht, das die Herzogin litt, und übernahm es gerne, ihr Kämpfer zu sein. Elsa ließ hierauf alle ihre Verwandten und Untertanen entbieten, die sich bereitwillig in großer Zahl einfanden; selbst König Gotthart, ihr mütterlicher Ahn, kam aus Engelland, durch Gundemar, Abt zu Clarbrunn, feierlich geladen. Der Zug machte sich nach seiner Versammlung auf den Weg, nahm neue Freunde in Saarbrück auf und wandte sich von da nach Mainz. Kaiser Heinrich, der sich zu Frankfurt aufhielt, kam nach Mainz entgegen. In dieser Stadt wurden die Schranken errichtet, in denen Lohengrin und Friedrich kämpfen sollten. Eine unzählbare Menge Volkes versammelte sich am Richtplatz. Aller Herzen schlugen für die schöne Elsa und flehten zu Gott um ihren Sieg. Mächtig hieben die Helden aufeinander ein, doch schon nach kurzem Kampfe warf Lohengrin seinen Gegner und bestrafte ihn für seinen Meineid mit der Schärfe des Schwertes. Friedrich gestand in seiner Not, daß er gegen die Herzogin eine falsche Klage erhoben habe. Er wurde darauf mit Schlägel und Beil gerichtet. Elsa und Lohengrin waren vor dem Streite bereits in tiefer Liebe zueinander entbrannt und gerne gab sich die Jungfrau dem Helden zum Weibe. Lohengrin stellte nun zur Bedingnis, daß ihr Mund alle Fragen nach seiner Herkunft zu vermeiden habe; denn sonst müsse er sie augenblicklich verlassen.

Eine Zeit lang lebten die Eheleute in ungestörtem Glücke und Lohengrin beherrschte das Land weise und mächtig. Auch dem Kaiser leistete er auf den Zügen gegen die Hunnen und Heiden große Dienste. Es trug sich aber einstmals zu, daß er im Turnierkampf den Herzog von Cleve vom Pferde stach und dieser den Arm zerbrach. Neidisch redete da die Clever Herzogin laut unter allen Frauen: „Ein kühner Held mag Lohengrin sein, auch scheint er den Christenglauben zu besitzen; schade, daß trotzdem allenthalben sein Ruhm gering ist, denn niemand weiß, woher er ans Land geschwommen kam. Wie könnte man einen Landfremden preisen?“ Dies Wort schnitt der Herzogin von Brabant ins Herz, sie errötete und erblich zugleich. Nachts im Bette, als ihr Gemahl neben ihr schlief, weinte sie bitterlich. Er wachte auf und fragte besorgt: „Lieb, was irrt und quält dich?“ Sie antwortete: „Die Clever Herzogin hat mich tief verletzt.“ Aber Lohengrin schwieg und zeigte ihr, daß er nicht weiter reden mochte. Die zweite Nacht wollte sie wieder zu fragen beginnen; er merkte es wohl und stillte nochmals ihre Neugierd‘. Allein in der dritten Nacht konnte sich Elsa nicht länger halten und sprach: „‘Herr, zürnt mir nicht! Ich wüßte zu gerne, von wannen Ihr geboren seid. Mein Herz sagt mir, daß Ihr reich an Adel sein müßt, und ich will nicht dulden, daß fürderhin jemand Euren Namen schmäht.“ Als nach dieser unglückseligen Nacht der Tag anbrach, erklarte Lohengrin offentlich, woher er stamme: daß Parzifal sein Vater sei und Gott ihn vom Grale hergesandt habe. Darauf ließ er sich seine beiden Kinder bringen, die ihm die Herzogin geboren, küßte sie und befahl, ihnen Horn und Schwert, das er zurücklasse, wohl aufzuheben. Der Herzogin ließ er das Ringlein, das ihm einst seine Mutter geschenkt hatte. Da kam auch schon in Eile sein Freund, der Schwan, geschwommen, hinter sich den Nachen ziehend. Der Fürst bestieg das Schiff und fuhr wieder die Wasser zurück zu des Grales Burg. Elsa sank ohnmächtig nieder, daß man mit einem Keil ihre Zähne aufbrechen und ihr Wasser eingießen mußte. Kaiser und Reich nahmen sich der Waisen an; die Kinder hießen Johann und Lohengrin. Die Witwe aber weinte und klagte ihr übriges Leben um den geliebten Gemahl, der nimmer wiederkehrte.

Quelle: Im Reich der Sage; Otto Wutzel; Oberösterreichischer Landesverlag Linz;
4. Auflage 1958

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