Der Türmer zu Klagenfurt
Auf dem Turme der Stadtpfarrkirche zu Klagenfurt darf nach uraltem Brauch der jeweilige Türmer den Ruf seines Hornes nur nach drei Himmelsgegenden ertönen lassen, niemals aber nach Süden, wo die Ruhestätte der Toten ist, da diese hierdurch aus ihrem Schlummer geweckt würden.
Nun war einst vor vielen, vielen Jahren ein arger Trunkenbold als Türmer angestellt. Im Kreise der Zechgenossen vergaß er nicht selten die Pflichten seines Amtes, die dann der Sohn für ihn versah. Eines Abends, als er wieder im Gasthause saß, spotteten die Genossen und sagten, sein Sohn blase so jämmerlich, daß der die Toten damit erwecken könne.
Ueber diesen Hohn erfaßte den Halbtrunkenen wilder Zorn und racheerfüllt eilte er dem Turme zu. „Wartet, ich will sie euch schicken, ihr Spötter,“ murmelte er vor sich hin und ergriff, kaum hatte er sein Ziel erreicht, das Horn. Nach Westen und Norden und Osten ertönte dessen Ruf; dann sah des Türmers entsetztes Weib, wie er sich nach Süden wendete. Vergebens suchte sie dem Wütenden das Horn zu entringen – er riß sich los – und gellend ließ er es nach Süden erschallen.
Und alsbald wurde es lebendig auf dem Friedhof. Gräber öffneten sich, Totenbeine klapperten und Leichenhemden wehten. Bald hatte sich ein grausiger Zug geordnet und in langer Reihe wandelten die Schattengestalten heran. Doch alle lenkten dem Turme zu; mit greulicher Hast klommen und kletterten sie empor zum schreckensbleichen Störer ihres Friedens. Schon reichten Hände zum Gitter herein, schon hoben sich klappernde Beine, um über die Brüstung zu setzen – da schlug es Eins vom Turme und der ganze Spuk verging in Nacht und Nebel.
Nie mehr aber hat es später ein Türmer versucht, die Ruhe der Toten zu stören.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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