|
Der Wörthersee
Der Wörthersee, der sich von Loretto (bei Klagenfurt) bis Velden in einer Länge von sechs Stunden ausdehnt, ist trotz seiner Schönheit ein unheimlicher Geselle, dem nicht zu trauen ist. Alljährlich fordert er Opfer; kühne Ruderer und ausdauernde Schwimmer verfallen oft in Krämpfe, die ihnen das Leben kosten. Zieht aber ein Schifflein im Mondenschein über seine glänzende Fläche, und macht die Schönheit der in Schweigen versunkenen Natur auch die Ruderer stille, dann kann es geschehen, daß sie ein Klingen und Läuten vernehmen, das aus der Tiefe des Sees zu kommen scheint. Wirklich erzählt eine alte Sage von einer Stadt, die einst an der Stelle des Sees gestanden.
Dieselbe lautet folgendermaßen:
Vor vielen, vielen Jahren, keine Chronik bezeichnet die Zeit, stand da, wo heute der See seine blauen Fluten dehnt, eine Stadt, deren prachtvolle Gebäude auf den Reichtum ihrer Bewohner schließen ließen. Und in er Tat waren dieselben reich, aber auch voll Uebermut und Ueppigkeit. So kam es, daß sich einst auch in der heiligen Christnacht die Mehrzahl der Städter zu Tanz und Festgelage versammelt hatte. Schon zeigte Glockengeläute die Stunde der Mette an, doch niemand kümmerte sich um die Klänge, die zum Dankesfeste riefen. – Da öffneten sich die Türen des Festsaales, ein kleines, eisgraues Männchen schritt langsam herein und besah sich schier erstaunt die lärmende Gesellschaft. Darauf erhob es seine Stimme und es klang wie fernes Grollen, als es sprach: „Ei, ihr Schwelger, wißt ihr nicht, welche Feier wir heute begehen? Kehrt heim, ehe die Stunde der Buße verrinnt und die Strafe euch erreicht!“
Aber nur höhnisches Lachen antwortete dem Alten und nur noch rascher wirbelten die paare im Tanze. – Wenige Minuten vor Mitternacht betrat der Warner zum zweitenmale und zwar festen Schrittes den Saal, aus dem das wüste Geschrei der Trunkenen tönte. In seinem Armen ruhte ein Fäßlein; und wieder mahnte er zu Umkehr und Buße; „sonst,“ fügte er hinzu, „werde ich den Hahn dieses Fäßleins öffnen und Tod und Verderben wird ihm entströmen.“
Doch auch diesmal fanden die Worte des Alten keinen Eingang in die harten Herzen der Frevler und seiner Drohung antwortete rohes Gelächter und Spott.
„Nun seid ihr verloren!“ sprach der Graue mit blitzenden Augen; und indem er es sprach, schlug es Mitternacht. Da erzitterte die Halle von brausendem Sturm; Regen strömte hernieder, bei jeder Ritze und Diele stürzten Wasserfluten herein, erfüllten die Prunkgemächer und übertönten das Hilfegeschrei der Verlorenen.
Und fort strömten die Wasser, fort, bis sie Haus und Hügel und die Berge überschwemmt hatten und die Stadt spurlos verschwunden war, in der die Verstockten ihn Wesen getrieben.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
|
|