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Das Venedigermännlein im Landschnickwalde
Vor langer Zeit kam alljährlich ein Welscher nach St. Ulrich bei Feldkirchen. Ohne lange da zu verweilen, ging er jedesmal in den Landschnickwald und kehrte dann schwer beladen daraus zurück. Niemand wußte, woher er kam und was er im Walde zu tun habe, nicht einmal der Bauer, bei dem er übernachtete. Auch war von ihm gar nichts herauszubringen. Einmal aber hatte er doch ein paar Worte gesprochen: „Würden die Menschen die Gegend kennen, so brauchten sie sich nicht so zu plagen.“ Der Bauer aber, der ein gescheiter Mensch war, hatte die Worte aufgefangen und dachte sich: „Warte, dich werd‘ ich noch erwischen!“ Das nächste Jahr kam zur gewöhnlichen Zeit der Welsche wieder und brachte einen jüngeren Gefährten mit. Beide machten sich nun auf den Weg in den Landschnickwald, welchen sonst der Welsche immer allein gegangen. Der Bauer aber war ihnen diesmal unvermerkt nachgeschlichen, bis er sie vor einem Hügel Halt machen sah; dann verbarg er sich im Dickicht und beobachtete ihr Treiben. Der Welsche murmelte einige Worte und berührte, nachdem er mehrere Zeichen gemacht, mit dem Stabe den Felsen. Der Fels tat sich auf und bildete ein förmliches Tor, aus dessen Hintergrunde reicher Goldglanz emporstrahlte. Die beiden Welschen stiegen nun mit ihren Kraxen die Grube hinunter. Es dauerte nicht lange, so kamen sie schwerbepackt zurück. Als der Bauer das Gold in ihren Körben glänzen sah, konnte er sich nicht länger mehr halten, trat aus seinem Verstecke heraus und stürzte mit drohender Miene vor die beiden hin. Erschrocken über die unwillkommene Erscheinung, boten sie alles auf, ihn zu besänftigen. Aber es half nichts, der Bauer blieb unerbittlich; sie sollten ihm entweder ihre Schätze abtreten oder erlauben, sich solche selbst aus der Erde zu holen. Sie wählten das letztere und der Bauer stieg in die Grube hinunter. Aber die Welschen waren froh, des Drängers los zu sein. Der Alte berührte wieder, einige Worte murmelnd, mit seinem Stabe den Felsen, der sich nun schloß und den Bauer für immer zu begraben schien. Hierauf entfernten sie sich schnell von dem Orte, ohne sich weiter um etwas zu bekümmern. Der Bauer aber war ganz erstaunt über den Reichtum der Grube und nahm mit sich, so viel er nur tragen konnte. Doch, o Schrecken! Zur Rückkehr gewendet, fand er nirgends einen Ausgang. Ratlos irrte er solange in der Finsternis umher, da hörte er von ferne ein Rauschen wie von einem fließenden Wasser. Er ging dem Schalle nach und kam wirklich zu einem Bache. „Dieses Wasser muß ja doch einen Ausfluß haben,“ dachte er sich und verfolgte, so gut es ging, dessen Lauf. Nach langem Gehen sah er in weiter Ferne ein Licht, zwar nicht größer als einen Punkt, dem aber der Bach zuzueilen schien. Immer näher und näher kam er dem Lichte und überzeugte sich auch wirklich, daß der Bach nach außen münde. Die Oeffnung war gerade so groß, daß er sich mit einiger Anstrengung durchzuarbeiten vermochte. Als er wieder das Tageslicht erblickte, sah er sich in einer ganz fremden Gegend.
Er ging aufs Geratewohl weiter und kam zu einem Hause; hier wollte er sich erkundigen, wo er sei. Als er zur Tür hineintrat, wie groß war seine Ueberraschung! Er sah die beiden Welschen vor sich, welche eben ihre Schätze musterten. Als sie seiner Ansichtig wurden, stürzten sie vor Schreck auf die Knie, baten um Verzeihung und trugen ihm alle Schätze an. Der Bauer aber war ein guter Mensch und verzieh ihnen; ja als sie ihm die Benützung des Stollens abtraten, schwur er ihnen sogar, niemandem etwas vom ganzen Geheimnis zu verraten. Der Bauer begnügte sich mitzunehmen, was er einstecken konnte, und kam in seine Heimat zurück. Die Welschen ließen sich seither in jener Gegend nicht mehr sehen.
Jahre vergingen, der Bauer benützte den Stollen fleißig und wurde ein reicher Mann, so daß er den Ackerbau mit dem Handel vertauschte. Einmal kam er auch in eine große Stadt in Welschland, um Pferde zu verkaufen und Wein dafür einzuhandeln. Wie er so durch die Gassen ging und sich die prachtvollen Paläste besah, fiel ihm vor allem ein großes Gebäude durch Umfang und Pracht auf. Er fragte einen Vorübergehenden, wem es gehöre, und erfuhr, daß ein reicher Mann dessen Eigentümer sei. Noch stand er voll Staunen da, als ein reichgekleideter Lakai zu ihm trat und ihn mitgehen hieß. Der Bauer wußte nicht, wie ihm geschah; er folgte. Der Diener führte ihn in den eben angestaunten Palast durch eine Reihe prachtvoller Gänge und an herrlichen Sälen vorbei zu einem Zimmer, wo ihn ein Mann freundlich empfing. Das Staunen des Bauern war kein geringes: er fand in dem Manne den Welschen wieder, welcher ihn alljährlich besucht hatte. Hierauf zeigte der Herr ihm all seine Schätze, die Säle und Zimmer und sagte ihm, daß er sich all den Reichtum aus dem Landschnickwalde geholt. Als sie alles besehen hatten empfing sie eine reichgedeckte Tafel, bei welcher ihm der Welsche auch mit seiner Familie bekannt machte. Zum Ende wurde ein verdecktes Gericht aufgetragen; der Bauer mußte es abdecken. In der Schüssel lag eine gespannte Doppelpistole, welche nun der Herr herausnahm und dem Bauer mit den Worten auf die Brust setzte: „Früher hast Du mich zweimal bedroht, jetzt gilt’s dir. Schwöre mir nochmals, das Geheimnis niemandem zu verraten!“ Der Bauer hatte sein Leben lieb und schwur hoch und heilig, was ihm der Welsche vorsagte. Nachdem er sich von seinem Schrecken erholt hatte, beschenkte ihn der Herr reichlich und entließ ihn, nochmals unter fürchterlichen Drohungen Stillschweigen gebietend. Der Bauer hielt auch zeitlebens das Geheimnis und vertraute es niemandem an. Er benutzte die Grube für sich und sein Reichtum wurde tagtäglich größer. Als seinem Ende nahe war, machte er mehrere fromme Stiftungen und verschied, ohne daß er jemandem das Geheimnis des Eingangs und des Stollens anvertraut hätte. Seit seinem Tode ist der Berg verschlossen und niemand kennt den Eingang zu seinen Schätzen.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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