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Hildegard die Heilige oder die Steinerne Melk
Auf den steilen Wänden des Skarbin stand vor vielen, vielen Jahren das Schloß Proßnitza, in welchem Graf Albuin und dessen Gattin Hildegarde oder, wie sie ihrer Güte wegen ebenfalls genannt wurde, Agatha lebten.
Als Graf Albuin einst für längere Zeit verreisen mußte, ließ er zum Schutze der Burg und deren Herrin seinen Bruder Udo dort zurück. Dieser aber mißbrauchte das ihm geschenkte Vertrauen und wollte Hildegarde zu Bösem verleiten. Sie jedoch wies seine Vorschläge mit Abscheu und Entrüstung zurück. Als nun die Heimkehr des Grafen bevorstand, fürchtete Udo seines Bruders Zorn. Um sich zu retten, beschloß er, Hildegarde zu verderben. Eine Magd, Lupa genannt, ließ sich von ihm verleiten, gegen ihre Gebieterin, die sie einer empfangenen strengen Rüge wegen haßte, falsches Zeugnis abzulegen. Nachdem er sie unterrichtet hatte, wie sie ihre Anschuldigungen vorbringen sollte, ritt er dem Bruder eine Strecke weit entgegen. Die falsche Zeugin setzte sich mit einer Kuh, die sie zu melken schien, an den Weg, den der Markgraf kommen mußte. Auf dem steilen Pfade, der zur Bergveste hinaufführte, traf Udo mit seinem Bruder Albuin zusammen und flüsterte ihm mit der Miene des Bedauerns abscheuliche Dinge über Hildegarde zu. Als sich in des Gatten Brust noch Zweifel regten, stürzte Lupa zu seinen Füßen und klagte sich unter Tränen als Helferin der Gräfin bei deren Vergehen an. Als sie sah, daß die Wut des Grafen schon den höchsten Grad erreicht hatte, schwor sie, daß sie auf der Stelle zu Stein werden solle, wenn sie nicht die Wahrheit geredet habe. Der Graf stürzte fort. Mit Gewalt sprengte er die verschlossene Pforte zu Gräfin Hildegards Gemach, hielt seiner Gattin in wenigen Worten ihre Schuld vor, umschlang sie dann mit starken Armen und stürzte sie zum Fenster hinaus; ihr nach die treue Zofe, die ihrer Herrin Unschuld beteuert hatte.
Da geschah etwas Wunderbares:
Aus dem Abgrund, in den der Graf seine Gattin und die Dienerin geschleudert hatte, ertönte lieblicher Gesang und sein erstaunter Blick sah die beiden Frauen von drei strahlenden Engeln emporgetragen. Doch der himmlische Glanz blendete des Grafen Augen, die hinfort das Licht nicht mehr zu schauen vermochten. Während der Erblindete noch erstarrt dastand, wurde ihm die Kunde eines neuen Wunders gebracht. Man hatte Lupa an der Stelle, wo sie die meineidigen Worte sprach, nebst der Kuh, dem Melkkübel und dem Stuhle in Stein verwandelt gefunden. Von heftiger Reue erfaßt zog Graf Albuin ohn jegliche Begleitung fort und besuchte das Grab der hl. Apostel in Rom, des hl. Jakob zu Compostella und das hl. Grab zu Jerusalem. Als er nach sieben Jahren heimkehrte, heilte ihn die fromme Gattin durch Auflegen ihrer Hände von seiner Blindheit. Er stiftete die Kirche zu Möchling, in welcher er, nachdem er sein Leben fromm beschlossen hatte, begraben wurde.
Hildegarde überlebte ihn mehrere Jahre. Ihr auf so wunderbare Weise gerettetes Leben war fortan ausschließlich dem Wohltun geweiht. Sie stiftete die Kirche zu Stein und erbaute ein Hospital, in dem jährlich die ganze Schar der Armen, die sich einfinden würde, gespeist und mit Lebensmitteln beteilt werden sollten. Der hiezu bestimmte Tag war der 5. Februar, der Tag der hl. Agathe. An ihrem Sterbetage war das Haus, in dem sie lag, außerordentlich erhellt und die Luft von Wohlgerüchen erfüllt. An jener Stelle, wo sie bei ihrem Sturz Rettung gefunden hatte, sproßten aus dem nackten Gestein Rosen und Lilien, wie von der Hand eines Gärtner gepflanzt. Oft sah man nachher am Vorabend der jährlichen Gabenspende eine Frau in blendend weißem Kleide durch das Hospital wandeln und die für die Feier des kommenden Tages bereiteten Vorräte untersuchen, die dann stets von besonderer Ergiebigkeit waren.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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