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Hemma-Sagen
Zu den schönsten Sagen des Kärntnerlandes gehören jene, die uns von der seligen Hemma, der Stifterin von Gurk, überliefert sind.
Hemma war die Gattin des Grafen von Zeltschach und Friesach und eine Blutsverwandte Kaiser Heinrichs II., der sie als solche bezeichnete.
Als ihre Eltern gibt die Legende den Grafen Engelbert von Peilstein und dessen Gattin Tuba an. Graf Wilhelm gehörte zu den treuesten Vasallen des Kaisers und war von ihm einige Jahre vor seiner Vermählung mit zwanzig Huben (Bauernhöfen) am Berge Dobratsch beschenkt worden. Zu Zeltschach und bei Hüttenberg besaß der Graf Goldbergwerke, in welchen über siebenhundert Knappen arbeiteten.
Nach dieser kurzen Einleitung beginnen wir mit der Erzählung der Sagen.
a) Hemmas Wallfahrt nach Maria Elend im Rosentale
Maria Elend liegt inmitten eines Steinlabyrinthes von ungeheuren Felsblöcken, die sich bis zwischen die Wohnungen des Dorfes hineingelagert haben. Dichtes Moos hat sie bereits überzogen, und keine Geschichte weiß die Zeit anzugeben, seit welcher sie, losgerissen von ihren schwindelnden Höhen, hier ruhig und unbewegt liegen. Was jedoch die Geschichte ungewiß läßt, das hat die fromme Sage, die im Munde des Volkes lebt, zu erklären gesucht. Sie ist gestützt auf die wundertätige Kraft des Gnadenbildes, welches die Mutter des Heilands vorstellt und in einer kleinen Kapelle von andächtigen Gläubigen seit neun Jahrhunderten verehrt wird. In allen heimatlichen und fremden Gauen war der Ruf dieses Marienbildes weit verbreitet und so auch zu Hemma gedrungen. Da geschah es, daß sie, die schon mehrere Jahre verheiratet und noch kinderlos war, im Traume die Gottesmutter sah, die ihr die erfreuliche Hoffnung gab, daß ihr sehnlichster Wunsch erfüllt und sie Mutter werde.
Hocherfreut gelobte Hemma, wenn ihr Traum sich erfülle, zum Danke eine Wallfahrt nach Maria Elend zu unternehmen. Das Traumbild bewahrheitete sich und Hemma trat in Pilgerkleider gehüllt früh am Tage die beschwerliche Wallfahrt an. Doch die ungewohnte Anstrengung erschöpfte die Kräfte der vornehmen Frau; schon sah sie auf der Bergeshöhe das Kirchlein vor sich, als es ihr unmöglich wurde, dasselbe zu erreichen. Heiße Sehnsucht nach dem so nahen und doch so unerreichbaren Ziele im Herzen, lagerte sich Hemma am Fuße des Berges und verfiel dort in kurzen Schlummer. Als sie erwachte, sah sie sich an den Stufen des Altares der Kirche, die zu erreichen sie sich so gesehnt hatte. Während ihres Schlummers hatten Engel das Kirchlein erfaßt und von der schwer zugänglichen Bergeshöhe herab in die Ebene getragen, dorthin wo sie heute noch steht.
- Während Hemma ihr Dankgebet verrichtete, entbrannten draußen die bösen Geister in wildem Zorn. Schon von jeher war ihnen das Kirchlein ein Dorn im Auge gewesen, und nun war es gar im Tale und für fromme Pilger noch zugänglicher als auf der steilen Höhe. Die Teufel versuchten das Kirchlein zu zerstören und ergriffen Felsen, die sie auf dasselbe schleuderten. Diese erreichten aber ihr Ziel nicht, denn Engel beschützten die Kirche und die fromme Beterin darin. Die Steine aber, mit welchem die Teufel in ohnmächtigem Grimme geworfen hatten liegen noch in Maria Elend umher.
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Maria Elend soll seinen Namen daher führen, weil in diese damals durch Wälder ganz verfinsterte Gegend die ersten Christen Carantaniens von den heidnischen Beherrschern der damaligen Zeit teils ins Elend verwiesen wurden, teils freiwillig, um den Verfolgungen zu entgehen, hieher flüchteten.
b) Der Mord der Söhne
Mehr als sechzehn Jahre waren seit jener Wallfahrt der seligen Hemma vergangen; sie lebte glücklich und hochgeachtet mit ihrem Gatten und zwei blühenden Söhnen, namens Wilhelm und Hartwig. Ihren vorzüglichen Reichtum hoben sie aus ihren Bergwerken zu Zeltschach, in denen Hunderte von Knappen auf Silber bauten. Die gutgelohnten Knappen überließen sich jedoch einem zügellosen Leben; hatten sie ihre finsteren Schachte verlassen, so begaben sie sich zu schwelgerischen Gelagen. Da hatten in einer Nacht die Geister des Weines die Leidenschaften entfesselt, und ein Verbrechen war geschehen. Die beiden Söhne des Zeltschacher Grafen übten in Abwesenheit ihrer Eltern, die sich zu Wippach in Krain auf ihren Gütern befanden, die Gerichtsbarkeit und ließen die Hauptverbrecher hinrichten. Mit diesem Todesurteile hatten die beiden Jünglinge aber auch das ihrige unterzeichnet. Gleich einem giftigem Gewürm verkroch sich die Rache in den Gruben der Berge. Von dort aus erreichte sie die Ahnungslosen. Nicht lange – und statt der blinkenden Erze rollten die blutigen Leichname der beiden Jünglinge die Heide herab; im finsteren Schacht hatten ruchlose Hände sie durch Keulenschläge getötet.
Graf Wilhelm der Vater zog eben nach Friesach, um seine geliebten Söhne nach Wippach zu holen, wo die Sporen ihrer warteten, als ihn die Kunde von der Untat erreichte. Er antwortete mit dem Schwert der Vergeltung, alle seine Edlen und Lehenspflichtigen mit sich fortreißend. Es gab kein Urteil, weil man die Täter nicht kannte; nur eine Vertilgung der ganzen Rotte. Auf dem Platze von Friesach trank der Boden das Blut der Hingerichteten und bis zu den Bergeszinnen loderte die Brandfackel, und man hörte nichts als Wehklagen und Jammergeschrei.
Ein Bote brachte der unglücklichen Mutter die Schreckenskunde und erstattete Bericht von der furchtbaren Rache, welche der Graf übte. Schmerz und Zorn stritten im Herzen der schwer getroffenen Frau; noch war sie keines klaren Empfindens mächtig; nur hin zum Gatten und zu den Leichen ihrer Söhne drängte es sie. In tiefes Sinnen versunken ritt Hemma, von einem Häuflein ihrer Diener geleitet, des Weges dahin. Schon hatten die Reisenden den Loibl überschritten und alle waren zu Tode erschöpft, nur die beraubte Mutter fühlte nicht Ermüdung, nicht Hunger. Da näherte sich der Sinnenden ein alter Diener und bat sie, sich und den übrigen eine kurze Rast zu gönnen. Hemma willigte ein und wählte für sich einen einsamen Felsplatz an der Drau zum Ruhesitz. Hier umfing sie der Schlummer und sie sah die Schmerzensmutter erscheinen, die in sanften Worten Hemma an die Kürze des Lebens erinnerte und ihr riet, den Feinden zu vergeben; dann erschienen freundlich winkend in strahlender Schönheit die Söhne und entschwanden, als die Schläferin erwachte. Zorn und Rache waren aus ihrem Herzen entschwunden, nur der Schmerz um die Verlorenen war geblieben; doch auch dieser sanft und verklärt. Die edle Frau verließ die Stätte nicht, ohne ein Kreuz an derselben erhöhen zu lassen zum Gedächtnis an jener Stunde.
Als eine Bittende kam sie zu ihrem Gatten, mit tiefem Kummer sah sie die furchtbare Verwüstung, welche die Rache desselben bereits angerichtet hatte. Es gelang ihr, dem Rachewerk Einhalt zu tun. Graf Wilhelm aber, der von dem Anblick des gräßlichen Elends, das er verschuldet, von dem furchtbaren Wehe um seine Söhne ganz zerrissen und tief gebeugt war, beschloß Buße zu tun.
c) Die Kirche zu Gräbern
Barfuß und in härenem Gewande pilgerte Graf Wilhelm von Friesach und Zeltschach nach Rom und erbat vom Heiligen Vater Vergebung. Leichteren Herzens trat er die Pilgerfahrt in die Heimat an. Schon sah er die trauten kärntnerischen Berge, da erreichte ihn ein furchtbares Ungewitter. Der matte Mann suchte Schutz vor demselben in einer Scheune. Mühsam erreichte er dieselbe, warf sich zur Erde und versank sogleich in bleiernen Schlaf.
Am nächsten Morgen fuhr ein Bauer mit seinem Stiergespann an der Scheune vorüber; da fühlte er plötzlich einen heiligen Schauer und sein wildes Gespann blieb unbeweglich stehen. Etwas Ungewöhnliches ahnend, betrat der Bauer die Scheuer. Da sah er den verklärten Leichnam des Grafen liegen, dessen Schlaf sich in einen ewigen verwandelt hatte. Dem Bauer schien, als flüstere ihm eine leise Stimme zu, er möge die Leiche auf seinen Wagen legen und den Tieren freien Lauf lassen; dort, wo dieselben zum drittenmale Halt machen, sei der Ort, an dem der Tote zu bestatten. Der Stimme gehorchend lud er die Leiche auf seinen Wagen; die Stiere zogen über Hügel und Schlünde vorwärts. Endlich standen sie zum drittenmale stille. An dieser Stelle wurde Graf Wilhelm bestattet. Bald verbreitete sich die Kunde von Wundern, welche sich an diesem Grabe ereignete, im ganzen Gaue. Kranke und Sieche zogen vertrauend dorthin, suchten und fanden Genesung. Ueber des Grafen Grabstätte erstand eine Kirche, die zum ewigen Andenken „Gräbern“ genannt wurde.
Es ist Gräbersberg oder die St. Lorenzkirche zu Gräbern im Lavanttale.
d) Der Hemma-Ofen
Als Graf Wilhelm nach Rom gezogen war, besuchte Hemma nochmals alle Stätten, welche die teuren Söhne vor ihrem Tode betreten hatten. So kam sie auch auf einen Platz nahe der „Stiertratte“, der späterhin der „Hemmaofen“ genannt wurde. Es ist eine Felsenhöhlung, welchen die Sage als den einstigen Lieblingsplatz der Gräfin bezeichnet. In dieser Höhlung sei sie gesessen und habe ihren im gegenüberliegenden Kuster arbeitenden Bergknappen sowie den bei der nahen Salzpfanne beschäftigten Leuten zugesehen. Als sie diesen Ort nun nach der Ermordung der Söhne betrat, soll sie ihren Vermählungsring in den unterhalb gelegenen Teich geworfen haben mit den Worten: „Bis dieser ring wieder gefunden wird, sollen die Silberadern des Kuster unsichtbar werden und die Salzquelle versiegen.“ So seien die dortigen Silberbergwerke und die Salzquelle eingegangen.
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Die vielen Schachte im Kuster sind heute noch zu sehen; den Ort der Salzquelle zeigt zwar der Sage nach noch das im „träufelnden Ofen“ eingehauene Kreuz, die Quelle selbst aber hat noch keiner gefunden.
e) St. Hemma die Stifterin von Gurk
Nach den vielen und tief verwundenden Schlägen, welche Hemma getroffen und sie des Gatten und der Kinder beraubt hatten, gedachte die gottergebene Frau nicht mehr des Irdischen. Als fromme Witwe lebte sie einige Jahre zu Gurkhofen in stiller Einsamkeit, jeden Tag mit Wohltaten bezeichnend. Der schöne Geist der damaligen Zeit, wo man den Verlust häuslichen Glücks nicht durch weltliche Genüsse und Freuden zu ersetzen pflegte, bestimmte Hemma, zwei Klöster und eine Kirche zu bauen. Nach deren Vollendung kam auf den Ruf der salzburgische Erzbischof Balduin nach Gurk und brachte einige Klosterfrauen und die Aebtissin Ida aus dem Stifte st. Ruprecht am Nonnberg zu Salzburg mit sich, um sie in die Wohnstätten einzuführen. Hemma selbst legte, von siebzig Jungfrauen umgeben, das feierliche Gelübde ab, das aus einer überreichen gräflichen Herrin eine demütige unterworfene Klosterfrau machte. Nur drei Jahre waren der edlen Stifterin noch beschieden; im Frühling 1045 verfiel sie in eine schwere Krankheit, die ihr den ersehnten Tod brachte.
Von dem, was die selige Hemma erbaute, ist außer dem prächtigen Dome nichts mehr zu sehen; denn das jetzige großartige Stiftsgebäude gehört einer späteren Zeit an. Der Dom besteht aus drei Abteilungen: der Vorhalle und den zwei Türmen, dann der Kirche und der Gruft oder Krypta. Zu letzterer gelangen wir auf zwei geräumigen Steintreppen hinab. Sie bildet eine eigene, von 100 Säulen und 6 Pfeilern getragene Kirche.
Dort zeigt man aus dem Nachlasse Hemmas einen Ring und ein Halsgeschmeide aus Rauchtopas, Zeichen der Witwentrauer. In der Gruft zeigt man ferner den Hemmasitz, einen ausgehöhlten Serpentinstein, auf dem Hemma saß, wenn sie die Arbeitsleute beteilte. Die Sage läßt sie bei dieser Gelegenheit jenen von ihnen, die mit ihrem Lohne unzufrieden waren, die Börse vorhalten, und sieh! Es bekam jeder, wenn er auch noch so gierig zugriff, nur das, was er verdiente. Noch heute pflegen Besucher der Gruft sich auf den Hemmastein zu setzen und dabei recht lebhaft um die Erfüllung eines Wunsches zu bitten. Eine solche Bitte soll, vorausgesetzt, daß sie nicht sündhaft ist, der Erhörung gewiß sein.
Alljährlich, besonders am 4. Sonntag nach Ostern und an Hemmas Sterbetag kommen aus Krain und den übrigen Gegenden, wo sie einst als Herrin gebot, Tausende nach Gurk, um das Fest der Verehrung und Dankbarkeit an ihrer Grabesstätte zu feiern.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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