Der Spitzbrand bei Lilienfeld
Als das Stift Lilienfeld im Traisentale gebaut werden sollte, rief der Baumeister den Teufel an und verschrieb ihm seine Seele, wenn er ihm den Bau glücklich vollenden helfe. Er dachte bei sich, es werde sich schon ein Mittel finden, den Bösen um die Beute zu betrügen. Allein es fand sich keins, und als das Gotteshaus fertig gen Himmel ragte, war der Satan zur Stelle und schoß mit seinem Opfer durch die Decke. In einem nahen Waldhange brannte er mit dem langen Schweife einen spitzen Winkel aus und verschwand sodann in einer Kluft.
Noch ist die Stelle, wo der Teufel aus dem Stifte flog, schwarz berußt und der ausgebrannte Winkel an der Böschung schon aus der Ferne zu sehen. Er hat den Namen Spitzbrand und umschließt auch den sagenhaften Eingang in die Hölle.
Im Kapitelsaale des Stiftes befindet sich das angebliche Grabmal des leichtfertigen Baumeister. In Wahrheit ist die schwarze Öffnung an der Decke der Kamin eines Windherdes und das Grabmal stellt den Ritter von Hohenberg dar mit seinem Wappentiere, einem feuerspeienden Panther.
Man sieht an dieser Erzählung, wie Sagen im Volke entstehen. Sie knüpfen an Örtlichkeiten an und an Erscheinungen, deren Ursache den Leuten unbekannt war. Lebhafte Phantasie fabulierte nun und verband, was ihr gelegen kam.
Hans Fraungruber
Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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