Rübezahl als Holzfahrer

Ein armer Bauersmann hatte sich des Winters ein wenig Holz im Gebirge zusammengelesen. Weil aber nur wenig Schnee gefallen war, wußte er sich keinen Rat, das Holz den Berg hinunter nach Hause zu schaffen. Wie er so recht in Gedanken dastand, kam unverhofft ein Mann mit einem Schlitten auf ihn zu und fragte, was ihm fehle. Der Bauer klagte seine No. „Seid ohne Sorge!“ entgegnete Rübezahl – denn dies war der andre – „helft nur das Holz auf den Schlitten packen, dann will ich Euch hinunter helfen.“ Da luden sie beide Schlitten, Rübezahls und des Bauern, voll auf. Rübezahl hieß ihn getrost bergab fahren und folgte ihm nach. Das ging wie der Blitz; ehe sich’s der Bauer versah, waren sie unten. Rübezahl half ihm die Schlitten bos vor das Haus schieben, trat in die Stube und nahm vorlieb mit dem, was ihm die guten Leute, die an dem vielen Holze große Freude hatten, bereitwillig auftrugen. Der Bauer gab ihm auch einige Groschen für seine Mühe und wollte ihm diese gern besser bezahlt haben, wenn er’s gehabt hätte.
Zwei hübsche Kinder, die in der Stube umhersprangen, gefielen Rübezahl besonders wohl. Er rief das eine, einen muntern Knaben, freundlich zu sich, zog ein paar Kügelchen aus der Tasche und sagte: „Sieh, was ich dir zum Spielen schenke!“ Der Knabe griff beherzt zu, und weil das andere Kind so verlangend danach blickte, aber nicht heranzukommen wagte, warf ihm Rübezahl gleichfalls so ein paar Kügelchen in den Schoß. Darauf nahm er Abschied und zog mit seinem Schlitten dem Gebirge zu. Nach einer guten Weile, als die Eltern eine von den kleinen Kugeln in die Hand nahmen und näher betrachteten, entdeckten sie, daß es lauter gediegenes Gold sei. Da wurden sie recht von Herzen froh; denn sie waren blutarm und konnten nun von dem Gelde eine schöne Zeit haushalten.
Ihre Freude war so groß, daß sie das unverhoffte Glück sogar ihrem Nachbarn erzählten, einem geizigen Manne, der ihnen nie in der Not geholfen hatte. Das machte dem Geizigen Lust, auf gleiche Weise zu solchem Glück zu gelangen. Doch weil ihm niemand zu Hilfe kommen wollte, mußte er zuletzt seinen Schlitten ganz allein und leer wieder nach Hause schieben.

H. Kletke

Quelle: Österreichisches Sagenkränzlein

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 

 
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