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Der Höllentorwart
In Hall bei Admont lebte einst ein bäuerliches Ehepaar mit ihrem einzigen, recht ungeratenem Sohn, mit dem sie wegen seiner ausgelassenen Wildheit gar nichts mehr anzufangen wußten. Schließlich übergaben sie ihn einem Nachbarn, der ihn als Ziegenhirte verwendete. Im Volke hieß er der „Gleiner-Lenz“, der seine Viehherden gerne im Grießgraben hütete. Seine Hauptleidenschaft war das Fluchen und seine höchste Lust fand er im Quälen der Tiere. Deswegen liefen ihm oft die anvertrauten Tiere davon, so daß er sie stundenlang wieder suchen mußte. Dabei fluchte er ganz fürchterlich. Hatte er seine Herde wieder vollständig beisammen, dann quälte er das eine oder andere Tier in ganz grausamer Weise. Als er es wieder einmal besonders arg trieb, kam ein großer schwarzer Ziegenbock auf ihn zu, spießte ihn auf seine Hörner und trug ihn in Windeseile durch eine dunkle, dicht bewaldete Schlucht vor einen mächtigen Felsen, der mit einem großen, eisernen Tor versehen war, und setzte ihn davor ab. Dann verschwand der Ziegenbock. Vor diesem unheimlichen Felsen, dem Höllentor, mußte nun der Gleiner-Lenz sieben volle Jahre Tag und Nacht als Torwart zubringen. Mit niemandem durfte er ein Wort reden. Täglich brachte ihm eine schwarze, schweigsame Frau das Essen. So hörte man sieben lange Jahre nichts mehr vom Gleiner-Lenz, dem Ziegenhirten. Niemand wußte auch etwas von ihm, man hielt ihn für verunglückt.
Doch nach sieben Jahren erschien vor dem Höllentor ein kleines, grün und rötlich schillerndes Männchen mit einem braunen Knebelbart, faßte den Halter bei der Hand und führte ihn auf seinen alten Weideplatz zurück. Hier verschwand das sonderbare Männchen. Der Gleiner-Lenz machte sich schnell auf den Heimweg. Bleich und am ganzen Körper zitternd, setzte er sich daheim gleich in der Rauchkuchel auf das offene Herdfeuer, ohne sich dabei ernstlich zu verbrennen, denn die schreckliche Hitze vor dem Höllentor hatte ihn feuerfest gemacht. Vor lauter Schrecken brachte er aber nichts anderes über seine Lippen als die Worte: „I neama fluachn.“
Als die Leute ihn wieder sahen und reden hörten, verwunderten sie sich über das ganze Gehaben und fragten ihn, wo er denn eigentlich die sieben Jahre verbracht habe. Endlich nach einigen Tagen fing er an zu erzählen: „Do is amol a großer Goaßbock kemma und hot mi wahrscheinli wegn man Fluchen und Tierquälen zum Höllntor trogn. Dort hob i dann gsehn, wieviel Leut in d‘ Höll san kemma. Mei, so viel! Arme, weils net z’friedn warn und no mehr Reiche, weils g’lebt hobn wie der reiche Prasser. Eheleut san wenig dabei gwen. Aber dafür der Hofrichter von Admont und no viele, vo denen mans gor net glaubat. Und erst das Jammern! Und i hob nix reden dürfn. Ganz schiach is dort! I tua neama fluchn und Viecha martern!“
Da er aber bei seinen Aussagen über die vielen Höllenbesucher auch Namen von manchen Bekannten nannte, die tatsächlich während dieser sieben Jahre gestorben waren, so wurden ihm diese Reden sehr übelgenommen. Ja, der Gleiner-Lenz wurde als ehemaliger Höllentorwart dafür bei Gericht angeklagt und noch eine Zeitlang eingesperrt. Bis heute noch scheuen die Leute den Grießgraben mit der unheimlichen Felsenschlucht und dem Höllentor.
Quelle: Admont und das Gesäuse in der Sage; DDr. P. Adalbert Krause O.S.B. Professor in Admont; Oberösterreichischer Landesverlag Ges.m.b.H., Linz; ohne Jahresangabe
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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