Die Wildfrauenluckn am Bosruck

In den Felswänden des Bosruck bei Ardning befindet sich eine große, runde Öffnung, im Volksmunde die „Frauenluckn“ genannt. Hier wohnten vor langen Zeiten drei wunderschöne, weiße Waldfrauen. Einst verstieg sich auf dieser Felswand ein armes Kräuterweib und konnte weder vor- noch rückwärts. In ihrer Not schrie sie laut um Hilfe. Da hörte sie auf einmal einen wunderbaren Gesang aus einer Felsenhöhle und plötzlich standen die drei Waldfrauen vor ihr. Sie faßten die Kräuterfrau bei der Hand, führten sie über einen unbekannten, nie gesehenen Steig auf einen Platz, von dem sie bequem den Heimweg fand. Beim Abschied schenkten ihr die guten Waldfrauen einen Laib Brot und verschwanden. So oft auch die Kräuterfrau von diesem schmackhaften Brot aß, es wurde nie weniger. Nun brauchte sie nicht mehr Wurzeln graben und Kräuter sammeln, sie hatte ihr Leben lange genug zu essen.

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Eine andere Sage erzählt, unter dem Bosruck stand auf den Ardninger Almen einst eine große Ortschaft mit einer Kirche. Dahin kamen auch von Zeit zu Zeit die schönen Waldfrauen. Sie beschenkten die armen Leute und waren bei jedem Unglück hilfsbereit sofort zur Stelle. Um eines baten sie jedoch die Bevölkerung, das Wild in den nahen Wäldern zu schonen.

Doch darum kümmerten sich die im Laufe der Zeit reich und übermütig gewordenen Bauern nicht und beschlossen eines Tages, die schönen Wildfrauen aufzusuchen. Auf ihrem Wege begegnete ihnen sehr viel Wild, das sie trotz der Warnung einfach niederknallten. Als sie in die Nähe der Wildfrauenluckn kamen, machten sie davor Halt und gewahrten, wie sich das Wild in die weite Felsenöffnung flüchtete. Unbarmherzig schossen sie darauf los und viele Hirsche und Rehe stürzten tot über den Felsen. Da erschienen wieder die Wildfrauen und flehten weinend, auf das Wild doch nicht mehr zu schießen, sonst werde ein großes Unglück über sie und den ganzen Ort hereinbrechen. Doch die Bauern lachten darüber und verhöhnten sie. Da entstand plötzlich ein furchtbares Gewitter. Schwere Donnerschläge rollten laut dröhnend durch die Felswände und grelle Blitze zuckten nieder. Die ganze Berglandschaft zitterte und bebte und auf einmal öffnete sich der Erdboden und die ganze Ortschaft versank in diesem schrecklichen Strafgericht mit ihren Frevlern in der Tiefe. Aber auch die schönen Wildfrauen sind seitdem aus dieser Gegend für immer verschwunden.

Von diesem furchtbaren Strafgericht weiß die Sage noch, daß am Roßfeldboden die einstige Kirche versunken sei. Ein tiefes, umzäuntes Loch auf dieser Alm erinnert noch heute an die sagenhafte Kirche und ihren Untergang. Und auf der benachbarten Igelsfeldalm soll man sogar die Glocken der versunkenen Kirche gefunden haben.

Quelle: Admont und das Gesäuse in der Sage; DDr. P. Adalbert Krause O.S.B. Professor in Admont; Oberösterreichischer Landesverlag Ges.m.b.H., Linz; ohne Jahresangabe

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