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Die Wildalm-Kapelle
Beim Bauernhause „Gruber in Brand“ in Oberdambach steht die früher viel besuchte, weit und breit bekannte „Wildalm-Kapelle“. Von dieser Kapelle reden, heißt die Geschichte einer alten Statue erzählen. Anton II. Spindler von Hofegg, der von 1615 bis 1642 Abt im Stifte Garsten war, bestellte für die Stiftskirche, und zwar für den „Altar der sieben Schmerzen Mariens“ eine lebensgroße Statue der Schmerzhaften Mutter Gottes, eine sogenannte Pietá.
Als im Jahre 1677 die alte Stiftskirche niedergerissen wurde, um einer barocken, zweitürmigen Kirche Platz zu machen, wurde der vorgenannte Altar abgebrochen und in die Pfarrkirche übertragen, wo es so lange verblieb, bis auch diese Kirche im Jahre 1792 abgebrochen wurde. Die Statue der Schmerzhaften Mutter Gottes wanderte auf den Dachboden der neuen, im Jahre 1787 vom Kaiser Josef II. aufgehobenen Stiftskirche.
Aus irgendeinem Grund kam der Besitzer des Bauernhofes „im Brand“ in die Nähe dieser Statue, die ihm gefiel. Er bat de Pfarrer Plersch, den späteren Stadtpfarrer von Steyr, ihm die Statue zu geben, die er auch im Jahre 1836 bekam. Für diese Statue erbaute der Bauer am Sträßlein vor seinem Haus eine Kapelle. Bald wurde das Volk auf dieses merkwürdige Gnadenbild auf freier, sonniger Höhe aufmerksam und in Scharen kamen Wallfahrer von allen zur „Schmerzhaften auf der Wildalm“; sie opferten nicht nur Krücken, wächserne Hände und Füße, sondern auch Kerzen und Geld.
Die Kapelle war in manchen Tagen von Devotionalienbuden förmlich umlagert. Das Erträgnis dieser Wallfahrt aber machte den Bauern übermütig; er protzte, daß er mehr Most ausschenke als sämtliche Wirte der großen Gemeinde Garsten und die vielen Opferkerzen im Kuhstall gar nicht verbrennen könne. Das kam dem Garstner Pfarrer zu Ohren. Dieser schickte eines Tages um 1850 herum einen mit Pferden bespannten Wagen zur Kapelle, um die Statue dort weg nach Garsten zu bringen.
Die Sage weiß nun zu berichten, daß die Pferde nicht von der Stelle wichen, als Zeichen, daß sich die Gnadenmutter nicht von der Stelle trennen wolle. Richtig wird sein, daß die Leute das Fuhrwerk nicht wegfahren ließen. Nun schickte der Pfarrer sechs handfeste Zimmerleute zur Kapelle. Diese trugen unter Wehklagen und Widerspruch der Bevölkerung die Statue hinunter ins Tal zur Enns, luden sie auf ein Floß und brachten sie so nach Garsten, wo sie im mittleren Seitenaltar, gegenüber der sogenannten "Ketzer-Muttergottes" aufgestellt wurde.
Der Sagenschleier hat sich um diese Kapelle und um das Haus "im Brand" gelegt. So erzählt man, daß über diese Kapelle die wilde Jagd hingegangen sei. Der Teufel, so weiß eine andere Sage zu berichten, sei nächtlicherweile, auf feurigem Rappen reitend, zum Haus "in Brand" gekommen, er habe aber an der Kapelle nicht vorbei können; er hat, wie erzählt wird, zum Haus nicht "zuwimög'n", weil sein Roß bei der Kapelle wie festgebannt stehen blieb. Und so mußte er wieder dorthin reiten, von woher er gekommen war. - Diese Sagen sind selbstverständlich viel ursprünglicher als die Kapelle und weisen in eine sehr alte Zeit zurück.
Quelle: Sagen und Legenden von Steyr, Franz Harrer, Verlag Wilhelm Ennsthaler, Steyr, 3. Auflage 1980,
ISBN 3-85068-004-5
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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