Die steinernen Linsen

Unweit Guttaring bildet die Gegend einen Kessel, der nur nach einer Seite hin offen ist. Dort finden sich in großer Menge versteinerte Seemuscheln und Seeschnecken; außerdem sind dort manche Felder mit einem Steingebilde fast übersäet, das der Hülsenfrucht der Linse ganz ähnlich ist und größere und kleinere Formen aufweist. Spaltet man diese Steinlinsen in einer gewissen Richtung, so zeigt sich in der Mitte ein schwarzes Kreuz.

An dem späten Vorabend eines Gott geweihten Tages befand sich, nachdem die Aveglocke schon alle Arbeiter vom Felde in ihre Wohnungen abgerufen hatte, noch ein Landmann auf seinem Acker und säete Linsen. Ein frommer Mann zog des Weges und ermahnte den Säenden, seine unzeitige Arbeit einzustellen. Der aber fuhr den Warner rauh an, und als dieser ihn auf des Himmels Strafe aufmerksam machte, rief er dem Ratgeber höhnisch nach:

„Spart Eure Worte; Eure lächerlichen Drohungen machen mich nicht zittern, ich tue was ich will, und sollten alle meine Linsen zu Stein werden.“

Am Tage nach dem Festtage säeten auch die andern Landleute Linsen, und in der gehörigen Zeit deckte ihre Felder zartes Grün; vergebens wartete aber der Frevler, daß seine Saat keime; sein Feld blieb graurot und kein Linsensträußchen stach hervor. Ingrimmig durchwühlte er die Erde – und sieh! Sein Same war in Stein verwandelt. Beschämt stand der Bestrafte unter den staunenden Nachbarn. –

Auch auf der Krebenzen kommen Steinchen vor wie Linsen gestaltet, und man erzählt davon dieselbe Sage wie bei Guttaring.

Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913

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