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Der Mößlofen
Einer der sagenreichsten Punkte des Görtschitztales ist der Mößlofen, der sich am Fuße des Mößlberges gegenüber der Bahnstation Mößl erhebt und eine langgestreckte, teilweise bewaldete Höhe bildet, die an einzelnen Stellen kahle Felsen weist. In diesem Mößlofen sollen seit langen Jahren ungeheure Schätze verborgen sein; zahlreiche Sagen leben darüber im Munde des Volkes.
Der Mößlofen ist ein „verwunschenes“ Schloß. Die Bauern Lattacher und Mösel wurden einst zu gleicher Zeit im Traume aufgefordert, nach dem Mößlofen zu gehen und dort den Schatz zu heben. Beide folgten der Eingebung des Traumes und trafen auf dem Feldwege, der zur Steinwand führt, zusammen. Als sie hinkamen, fanden sie einen Schlüssel und erblickten eine Kellertür. Sie öffneten dieselbe mit dem gefundenen Schlüssel, drangen in den Keller und sahen im Hintergrunde desselben eine große Truhe voll Silber. Schon hatten sie die Truhe bis zur Kellertür gebracht, da sagte Lattacher unbedachter Weise: „Jetzt heben wir den Schatz“, worauf alles verschwand. –
Ein Hirte, der nächste dem Mößlofen seine Schafe weidete, erblickte eines Tages an der Stelle des Mößlofens ein prachtvolles Schloß. Als er voll Neugierde darauf zuging, kam ihm ein Edelknabe entgegen, der ihn durch mehrere Gänge der von Edelfrauen und Rittern wimmelnden Burg führte, bis sie an die Tür eines verschlossenen Saales kamen. Da sprach der Edelknabe: „In diesem Saale weilt die verzauberte Jungfrau, die du jedoch derzeit noch nicht sehen darfst.“ Der Hirte, neugierig geworden, kehrte sich nicht an das Verbot und blickte durch das Schlüsselloch. Doch im selben Augenblicke war das Schloß wieder spurlos verschwunden und der Hirte stand bei seiner Herde.
Eines Samstagabends ging ein Binder beim Mößlofen vorbei nach Lölling zu. Da begegnete ihm ein Männchen mit roter Kappe und sprach: „Geh‘ ins Schloß binden; du trägst zwölf Reifen und im Schlosse sind zwölf Fässer zu binden.“ Der Binder weigerte sich anfänglich, dem Männlein zu folgen, indem er vorgab, daß am Feierabend keine Arbeit gestattet sei. Als das Männlein jedoch mit den Worten drohte: „Wenn du nicht gehst, so zerreiß ich dich,“ folgte er demselben ohne weitere Widerrede. Nachdem nun beide in die Nähe der Burg gekommen waren, nahm das Männlein von einer „Haselstauden“ einen Schlüsselbund und sperrte das Burgtor auf. Wie war der Binder verwundert, als er im Schloßhof Soldaten und Schimmel sah und in der Mitte einen Feldherrn auf einem Lehnstuhl sitzend und in einem Buche blätternd! Das Buch lag vor ihm auf dem Tisch, und sein greiser Bart war zweimal herumgewachsen. Nach der Weisung des Männchens, das ihn fortwährend drängte: „Eile, eile, die Stunde ist bald vorbei,“ band er schnell um jedes Faß einen Reif. Als die Arbeit vollendet war, durfte er sich zum Lohne aus einer Truhe zwölf Fäuste voll Silber nehmen. Als er sich darauf zum Gehen anschickte, stieß er unversehens an eine der Trommeln, die hinter dem Feldherrn standen, worauf die früher regungslosen Gestalten sich zu bewegen und in Unruhe zu geraten begannen. Der Zwerg beruhigte sie aber bald, indem er ihnen die Ursache des Trommelschlagens erklärte.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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