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Der Judenstein bei Wolfsberg
Im Jahre 1338, zu welcher Zeit mehr als die Hälfte der Stadt Wolfsberg von Juden bewohnt gewesen sein soll, gab sich ein Mönch des Minoritenklosters in der Stadt viel Mühe, die Juden zu bekehren und sie von der leibhaftigen Gegenwart Christi im heiligen Altarsakramente zu überzeugen. Aber sie blieben verstockt und wollten sich nur dann zum Christentum bekehren lassen, wenn sie sich von der Gegenwart Gottes in der geweihten Hostie persönlich überzeugt hätten. Der Minoritenpater ließ sich verleiten, den Juden zu diesem Zwecke geweihte Hostien zu verkaufen. Die Juden warfen sie auf einen Tisch und stachen mit Messern auf sie los, worauf sofort Blut aus diesen floß. Obgleich darüber sehr erstaunt, wollten die Frevler weitere Proben machen. Sie warfen die Hostien in das Feuer eines offenen Herdes, aber siehe da, dieselben wurden aus den Flammen unversehrt emporgetragen und flogen im Zimmer umher. Nun wurde den Juden bange wegen ihrer Missetat und sie beschlossen, die Hostien, welche das Feuer verschont hatte, im Wasser zu vertilgen. Sie warfen daher die Hostien in die Lavant und hofften, daß sie daselbst fortgeschwemmt würden und das Andenken an ihre böse Tat verschwinden werde. Aber es sollte anders kommen. Unmittelbar darauf trieb ein Hirte seine Herde aus der Stadt in jene Stelle am Ufer der Lavant. Da fiel das Vieh brüllend am Ufer auf die Erde und verharrte, gegen den Fluß gerichtet, beständig in dieser Stellung. Der erstaunte Hirte trat hinzu und bemerkte, wie mitten im strömenden Flusse leicht und ruhig die Hostien schwammen und zwar nicht bloß auf dem Wasser, sondern durch einen im Flusse sich erhebenden Stein hindurch. Dieser Stein ist noch heute zu sehen und wird als Judenstein bezeichnet. Sofort machte der Hirte dem Stadtpfarrer Anzeige, schnell verbreitete sich die Kunde in der Stadt. Die Christen strömten in Scharen hinaus und beteten das Wunder an. Bald darauf kam Abt Heinrich von St. Paul, der im Geruche der Heiligkeit stand, nach Wolfsberg, um die heiligen Hostien zu erheben. Mit vielen Geistlichen und Bürgern zog er hinaus zum Flusse, hielt die Patene eines geweihten Kelches ins Wasser und flehte inbrünstig zu Gott. Und siehe da, im Angesichte aller schwammen sofort zwei Hostien herzu und ließen sich mit der Patene erheben. Die Dritte aber erhob sich und flog gen Himmel. In der ganzen Stadt aber herrschte große Freude und jeder Gläubige pries den Herrn. Die erhobenen zwei Hostien wurden in einer besonderen Monstranze zur Anbetung aufbewahrt, den bösen Juden aber machte man den Prozeß, der damit schloß, daß siebzig hingerichtet und die anderen alle aus Wolfsberg vertrieben wurden.
Die Erinnerung an die Austreibung der Juden lebt noch heute fort. Noch jetzt wird allabendlich um neun Uhr die sogenannte Judenglocke geläutet; denn auf das Zeichen dieser Glocke soll damals das versammelte Volk über die unvorbereiteten Juden hergefallen sein und sie aus der Stadt vertrieben haben.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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