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Die Freimannsgrube *)
Vor vielen hundert Jahren diente im Kloster zu Ossiach ein Knecht, der es wagte, in eine alte verlassene Grube einzudringen, von der man sich gar unheimliche Dinge erzählte. Was er dort erlebt, war von ihm nicht zu erfahren, nur so viel teilte er mit, daß ein Gnome in Freimannstracht ihm nach glücklich bestandenen, schweren Proben sein Käppchen reich mit Gold gefüllt habe.
Mancher hatte es nach ihm versucht, in der Freimannsgrube sein Glück zu finden, doch keiner war je wiedergekommen. Endlich wollte niemand mehr sein Leben wagen und nur als dunkle Sage lebte die Erinnerung an den Klosterknecht von Ossiach im Munde des Volkes.
Da geschah es, daß ein Bergknappe mit seinem Weibe und vier Kindern in das größte Elend geriet. Als nun gar das arme Weib schwer erkrankte, hatte seine Not eine solche Höhe erreicht, daß er Hilfe um jeden Preis schaffen wollte. Er erinnerte sich der Sage von der Freimannsgrube und es entstand der Entschluß in ihm, dort entweder Rettung für sich und die Seinen oder den Tod zu finden. Trotz dem Abmahnen und Bitten seines Weibes stürzte er halb verzweifelt in die finstere Nacht hinaus. Sturmgebrülle erfüllte die Luft und die wirbelnden Schneeflocken blendeten seine Augen. Todesmutig verfolgte er seinen Weg, und gerade als die Uhr der nächsten Kirche die zwölfte Stunde schlug, gähnte ihm die Grube entgegen, deren Eingang bläuliche Flämmchen beleuchteten. Greuliches, unheimliches Getier lag, zischend und pfauchend sich zu Klumpen ballend und entwirrend, am Eingang. Grauen erfaßte den Knappen – doch er empfahl seine Seele Gott und schritt vorwärts. Und je weiter er schritt, je mehr erweiterte sich der Gang, er wurde heller und heller und als der Wanderer um die Ecke bog, prallte er vor dem Glanze zurück, der ihm entgegenstrahlte. Säulen aus edlem Gestein trugen eine glänzende Kuppel; Jaspisbäume sproßten aus dem smaragdenen Boden, während Geld, Perlen und Edelsteine silberne Schränke füllten. Noch stand der kühne Eindringling starren Blickes, als schwere Schritte nahten und der Gnomenfürst vor den Staunenden trat. Ein scharlachroter Mantel wallte von des Geistes Schultern bis zur Erde; ein glänzendes Diadem ruhte auf dem Haupte, die rechte Faust aber hielt hocherhoben ein blutbeflecktes Schwert. Der Knappe sank in die Knie, während der Berggeist zürnend sprach:
„Was willst du, Unseliger, in meinem Reiche? Trieb Habgier dich hieher? – Entflieh‘, wenn dir dein Leben lieb ist; sonst wirst du dein Wagnis mit deinem Blute bezahlen!“ – Doch der Knappe hatte sich bereits ermannt und mit dem Mute der Verzweiflung entgegnete er dem Fürsten: „Mein Leben, Herr, ist in deiner Hand; doch nicht Habgier war es, die mich zu dir trieb. Mein und der Meinen Elend ist zu groß. Kannst oder willst du uns nicht helfen, so nimm mein Leben, das mir nur zur Qual.“ –
Da sprach der Bergfürst milde: „Nun gut, so nimm von diesen Schätzen, so viel du willst, es steht bei dir, deine elende Hütte mit einem Palaste zu vertauschen, der Reichsten einer zu werden im Lande; darum zögere nicht und nimm, so viel du willst.“ Doch der Knappe wies die Großmut des Gnomenfürsten mit bescheidenen Worten zurück und bat, ihm nur soviel zu geben, daß er die Not seines kranken Weibes lindern könne: das Uebrige, meinte er, wolle er schon mit seiner Hände Kraft verdienen. Mit Wohlgefallen hörte der Berggeist die Rede des genügsamen Mannes, beschenkte ihn reichlich und entließ ihn gütig.
Mit staunender Freude sah die Gattin den Verlorengeglaubten heimkehren und die Kunde von seinem Glück ließ sie bald genesen. Von nun ab waltete friedlicher Segen über dem glücklichen Paare.
Als die dankesfrohe Familie eines Tages mit Kränzen beladen zur Freimannsgrupe zog, da zeigte sich der Gnome auf der Bergeskuppe, hielt die Hände ausgestreckt und sprach:
„Lebt wohl! Denkt oft hieher zurück,
Genügsamkeit nur führt zum Glück
*) Die „Freimannsgrube“ liegt an der äußersten Grenze Oberkärntens gegen Salzburg und Obersteier an der Mittelhöhe der Stangalpe.
Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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