Salamanka-Sagen


a) Der Fluch des Bettlers

Vor mehreren hundert Jahren saß in dem Schloß der Ortenburger zu Spittal ein Sproß derselben, Herr Georg Ortenburg, und seine Gattin Katharina von Salamanka. Doch soll Salamanka nicht den Namen des Geschlechts, dem sie entstammte, sondern den Ort ihrer Herkunft bezeichnen. Katharina, welche die Sage später nur mehr die „Salamanka“ nennt, war ein schönes, stolzes und dabei gottloses Weib, welches den gutmütigen, aber schwachen Gatten in hohem Grade unglücklich machte. Mit schwerem Herzen sah er die Ungerechtigkeiten und Freveltaten, die sie beging, ohne daß er den Mut hatte, ihnen zu steuern. Ganz nach der Mutter artete auch der Junker, der Ortenburger einziger Sohn und Erbe. Von ihm erzählt die Sage folgendes:

Einst saßen die Ortenburger mit vielen Gästen beim festlichen Mahle; da drängte sich durch die wehrenden Diener ein Häuflein todblasser Jammergestalten. Bittende waren es, dem Hungertode nahe, die mit dem Mut der Verzweiflung es wagten, der Salamanka steinernes Herz durch ihr Flehen zu rühren. Die Gräfin wies zornglühenden „das Gesindel“ ab, der Junker aber sprang auf und hetzte seine wilden Hunde auf die erschreckten Bettler. Diese entflohen schreckensbleich; nur ein Greis, dem die Kräfte versagten, stürzte auf der Stiege des Schlosses. Wütend warfen sich die Rüden über ihn her, und von ihren Bissen zerfleischt, blutüberströmt richtete er sich noch einmal auf und rief der Gräfin die Worte zu:

„Wie du mich hier mit blutigen Todeswunden schaust, so liege einst dein Sohn vor dir. Dein Geschlecht verlösche, um nimmer zu erstehn; als letzte deines Stammes sollst du untergehn.“

Einige Zeit war verstrichen. Der Junker saß zu Villach in einer Schenke, mit ihm eine Schar seiner Zechgenossen. Da öffnete sich die Tür, ein greiser Bettler trat herein und bat um eine Gabe.

Und wieder hetzte der freche Sohn der Salamanka sein Rüdenpaar auf den Greis; diesmal aber gehorchten die wilden Hunde dem Befehle ihres Herrn nicht, sondern zogen sich scheu und winselnd in eine Ecke zurück. Als der darüber wütende Junker sie neuerdings auf den seltsam schauenden Bettler hetzte, erhoben sie sich zähnefletschend, warfen sich auf ihren ruchlosen Herrn und zerfleischten ihn.

b) Salamanka, die Doppelmörderin

Nachdem Katharina von Salamanka den einzigen Sohn und kurz nachher auch den Gatten verloren hatte, wendete sie ihr ganzes Herz den reichen Schätzen zu, die in der Burg aufgehäuft lagen. Da sie keinen Erben besaß, beschloß sie, ihren Besitz nicht in fremde Hände fallen zu lassen. Durch ihre Zofe ließ sie einen Maurer erforschen, der all ihr Gold und Geschmeide in ein sicheres Gewölbe vermauern sollte, damit es für alle Menschen und für alle Zeiten verborgen sei. Der Maurer und die Zofe mußten vor Beginn der Arbeit mit den heiligsten Eiden Verschwiegenheit geloben. Doch als der Maurer sein Werk schon fast vollendet hatte, versetzte ihm Salamanka einen Stoß und stürzte ihn in das Verließ hinab, um so einen Zeugen wenigstens verstummen zu machen. Aber noch war die Zofe da, die zweite Mitwisserin des Geheimnisses. Salamanka konnte nicht Ruhe finden, solange diese lebte. Eines Nachts, als die Dienerin schlief, schlich sich Salamanka an ihr Lager und führte mit dem schweren Pantoffel einen so gewaltigen Streich auf die Stirne der Schläferin, daß diese nimmer erwachte.

Nach dieser schrecklichen Tat begann das Gewissen der Doppelmörderin sich zu regen. Wie ein Gespenst irrte sie Tage und Nächte durch die öden Säle des Schlosses, bis eines Morgens die Diener sie tot am Boden liegend fanden und mit ihr die Letzte ihres Geschlechtes in die Gruft der Ortenburger legten. So war die Verwünschung des Alten doch in Erfüllung gegangen.

c) Salamanka als Unheilskünderin

Viele Jahre waren seit jenen grausen Ereignissen vergangen. Fröhliche Menschen lebten in dem Ortenburgerschlosse, in dem alles zu einem großen Feste rüstete; sollte doch in Kürze die schöne Tochter des Fürsten Hochzeit halten. Viele fleißige Hände nähten am Brautstaat des Fürstenkindes. Doch was diese auch bei Tage schufen, nachts wurde alles vernichtet; der Morgen beleuchtete nur zertrennte Lappen, die in allen Ecken umhergestreut waren. Was immer der Fürst versuchte, dem Spuk war nicht zu steuern. "Die Salamanka, die Salamanka!" flüsterte man leise, und die Ahnung kommenden Unheils zog in die Gemüter.

Da erschien eines Tages ein schwarzgekleideter Bote in der Burg und brachte die Trauerkunde, daß der Bräutigam der Fürstentochter auf der Reise gestorben sei.

So hatte sich Salamanka als Verkünderin kommenden Unheils gezeigt.

d) Salamanka als Gespenst

Einst hörte ein junger Soldat, der nach Spittal kam, von der Salamanka erzählen, wollte jedoch nicht an das Gehörte glauben. Da das Schloß eben unbewohnt war, wußte er es beim Wirte durchzusetzen, daß man ihn darin übernachten ließ. Beim nächsten Morgengrauen verließ er es auf dem kürzesten Wege, ohne von den Erlebnissen der Nacht ein Wort verlauten zu lassen.

Der Kastellan aber fand an der Wand des Saales die Spuren kräftiger Säbelhiebe.

e) Salamanka bestraft einen Vorwitzigen

Einst war im Schlosse eine zahlreiche Gesellschaft beim festlichen Mahle vereint, als einer der Gäste sein Auge suchend über die Versammelten schweifen ließ. Auf die Frage der Hausfrau, wen er vermisse, erzählte er folgendes:

„In der letztverflossenen Nacht, als alles schon schlief, habe er noch geschrieben; da sei ihm plötzlich die Kerze bei einer raschen Bewegung verlöscht; da er sich erinnerte, daß im Gange ein Lämpchen brenne, so sei er hinausgegangen, seine Kerze daran zu entzünden. Ehe er noch das Lämpchen erreicht, sei ihm eine hohe, todbleiche Frau mit einer Laterne in der Hand begegnet. Schweigend habe sie ihm bedeutet, seine Kerze an ihrem Lichte anzuzünden, und schweigend sei sie hierauf weitergeschritten. Diese Frau, die ihm des Hauses Aeltermutter schien, habe sein Auge vorhin gesucht.“ Die ernstgewordene Hausfrau erhob sich und leuchtete dem Gast in den Ahnensaal; bei dem Bilde der Salamanka angekommen, rief der Fremde, diese sei's, die er nachts habe wandeln sehen. Als die Hausfrau nun erzählte, was von der Salamanka bekannt, da bekämpften viele der Ritter mit Scherz und Spott die Wahrheit des Gehörten. Einer unter ihnen aber faßte den Entschluß, als Dame Salamanka die Feigen zu erschrecken und den Mutigen einen Scherz zu bereiten. In gut gewählter Verkleidung, mit einer Laterne versehen, harrte er in der Nische des Korridors verborgen auf einen nächtlichen Wandler. Nicht lange hatte er gewartet, als er nahende Schritte vernahm; er trat heraus und vor ihm stand - mit finster drohenden Blicken - die Salamanka; mit kräftiger Hand schleuderte sie den Entsetzten zurück, der regungslos liegenblieb bis zum andern Morgen, wo man ihn fand. Als man ihn wieder zu sich gebracht, erzählte er sein Erlebnis, das allen Frevlern zur Lehre dienen möge.

Quelle: Kärntner Sagen; Franz Pehr; Verlag von Joh. Heyn in Klagenfurt; 1913

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