Das Flößermandl

Ybbsaufwärts von Kogelsbach, einem Ortsteil der Gemeinde St. Georgen am Reith, wo steile Felsen zum Ufer des grünschäumenden Flusses abfallen, wohnte einstens in einer kleinen Höhle ein Berggeist. Die Holzflößer nannten ihn das Flößermandl. Das Mandl war sehr klein, aber dabei außerordentlich kräftig und zähe. Es konnte die längsten Flöße allein über die oft sehr gefährlichen Ybbswirbel lenken. Oft und mit betonter Lust half das Männlein den Flößerknechten, wenn sie allzuharte Arbeit hatten, besonders aber dann, wenn es Hochwasser gab. Nie ging ein Floß unter, wenn das Flößermandl mithalf.

Da fuhr einmal ein Floßführer mit vierzehn Knechten bei reißendem Hochwasser von der Langau nach Waidhofen a. d. Ybbs. Als das mächtige Floß an der Höhle des Berggeistes vorbeikam, rief das Mandl: "Nehmt mich mit, ich will euch tüchtig helfen!" Der Floßführer lachte über die Worte des Männleins und schrie ihm zu: "Wie sollst du Knirps mir helfen? Meinst du etwa, du hättest mehr Kraft als ich?" Und hochmütig fuhr der Flößer weiter. Am Ausgang des "Kleinen Gesäuses", in der Nähe von Gstadt, geriet das Floß in einen teuflisch wilden Wasserwirbel. An dieser gefährlichen Stelle war aber die Kraft des Wassers stärker als die Geschicklichkeit des Floßführers. An einem Felsbrocken zerschellte krachend das große Floß. Der Floßführer ertrank, seine vierzehn Knechte aber konnten sich retten. Sie erzählten nachher, daß sie es deutlich gehört hätten, wie das auf einmal auftauchende Flößermandl höhnisch lachte, als das Floß zerbrach. (Felber.).

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952

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