Der fremde Geiger

An einem Samstag erschien einst auf einem Bauernhof in der St. Valentiner Gegend ein fremder Musikant und verlangte ein Nachtquartier. Das spöttische Lächeln des Fremden, vor allem aber die lange, feuerrote Hahnenfeder, die auf seinem Spitzhütel baumelte, muteten dem Bauern irgendwie unheimlich an. Dennoch wies er dem Fremden im Stadel ein Nachtlager an. Am folgenden Morgen, es war ein Adventsonntag, vernahmen die Burschen und Mägde auf dem Kirchwege in der Scheune wundervolle Geigentöne. Sie verhielten, lauschten und wurden von den immer berückender anschwellenden Klängen ganz gefangengenommen. Als sodann ein plötzlich aufrauschender Windstoß das Scheunentor aufriß, gewahrten sie in der Mitte der blankgefegten Tenne, an einen Pfeiler gelehnt, den fremden Geiger mit der roten Feder auf dem Hute. Verlockend und berauschend entquoll nun eine wilde Tanzmusik seiner Fiedel, und trotz der gutgemeinten Ratschläge einiger älterer Kirchgänger konnte die Jugend schließlich nicht mehr widerstehen und die Tenne wurde zum Tanzsaal. Längst war der Vormittag vorüber, aber noch immer tanzten alle wie besessen. Da riß urplötzlich das Spiel ab, der Geiger war verschwunden und ein Hahn mit blutroten Federn krähte mit schriller Stinune ein langgezogenes Kikerikiiii, schwang sich hierauf auf den Kornstock, der sofort Feuer fing und den Stadel in Brand steckte. Alle, alle Tänzer mußten verbrennen, und das traurige Ende bildete eine Reihe verkohlter Menschenkörper. (Wallner.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952

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