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Der Spatzengraf von Zeillern
In Zeillern steht noch heut ein Schloß, das dient humanen Zwecken,
doch einstens hausten hier samt Troß gar grimmig böse
Recken,
die lebten hier in Saus und Braus und frönten sehr dem Spiele,
doch auch auf Raub sie zogen aus, und in des Waldes Kühle,
da lagen sie im Hinterhalt, und tat sich jemand zeigen,
verfiel er ihrer Allgewalt, erklärten ihn als eigen.
Ob Kaufmann, Bauer, Handwerksmann, sie wollten keinen schonen
und lebenslänglich jedermann für sie nun mußte fronen.
So kam's, daß ringsherum ums Schloß vor vielen hundert Jahren,
so Mann, als Weib und auch ihr Sproß für sie leibeigen waren.
Die mußten nun, ob früh, ob spat, für alle Atzung sorgen
und ohne Frag, woher man's nahm, abliefern jeden Morgen.
War manchen oft unmöglich das, dann wehe diesen Armen,
sie wanderten ins Burgverlies ohn Gnade und Erbarmen.
Und andre wurden ohn Gericht gar oft am Leib geschunden
und zur Erfüllung ihrer Pflicht gehetzet mit den Hunden.
Die Ritter aber praßten dort ohn Sorge und Gewissen,
ihr Schloß war ein gar starker Hort, von Wällen fest umrissen.
Es war einmal, erzählt die Mär, in längst verfloßnen Tagen,
da ging's im Schlosse gar hoch her, bei Spiel und Zechgelagen.
Als einer so im Übermut sich tat zum Grafen wenden
mit einer Wett, daß auf dem Gut sich keine Spatzen fänden.
's war just die liebe Weihnachtszeit und nicht mehr fern die Mette,
trotzdem der Ritter war bereit, zu halten diese Wette.
Des andern Tages gingen fort hinaus dann die Befehle:
daß jeder Eigner in dem Ort ein Schock von Spatzen schaff zur Stelle;
geschah dies nicht, so wie es hieß, nicht bald und sonder Zagen,
so müßt er laufen durch die Spieß und ging's ihm an den Kragen.
Doch allzu kurz war diese Frist für diesen Fang verordnet
und just zur Stund des heil'gen Christ die Abgab angeordnet.
Die Eigner all in ihrer Not, woher jetzt Spatzen nehmen?
erflehten Hilfe sich von Gott, den Übermut zu zähmen.
Und in das Kirchlein wandern sie mit Inbrunst im Gebete,
daß unsre liebe Frau Marie vor aller Not sie rette.
Dann gingen sie voll Gottvertraun auf seiner Allmacht Stärke,
sich nach den Spatzen umzuschaun, erfüllen so ihr Werke.
Doch alldieweil zur Winterszeit sie nicht viel Spatzen fanden,
schien's ihnen, Gottes Mächtigkeit für sie schon wär zuschanden.
Je näher aber rückt die Stund, so größer ihre Pein,
kommt niemand, der sie von dem Hund, dem Ritter, möcht befrein?
Am Christfest war's in heil'ger Nacht, ein Wunder war
geschehn,
Erlösung ihnen ward gebracht, erhört ihr heißes Flehn.
Als heut der Ritter wieder saß im Saale seiner Ahnen,
ergötzend sich bei Trunk und Fraß mit seinen Zechkumpanen
und mit dem zwölften Glockenschlag, so er vom Turme tönte,
der Ritter sonder Klag und Zag den heil'gen Christ verhöhnte,
da löste sich der Brücke Zug, ganz von sich selbst alleine,
ein Bauersmann, der Säcke trug, umstrahlt vom Feuerscheine,
begehrte Einlaß ohne Zag, wollt mit dem Grafen sprechen,
ob er gewillt sei, noch vor Tag zu sühnen sein Verbrechen?
Der aber schalt ihn einen Wicht, verlangte das Schock Spatzen,
so er dasselbe bringe nicht, die Hund ihn würden hatzen.
Doch sonder Furcht der Bauersmann tritt ein zum Rittersaale
und holt den Grafen sonder Harm heraus vom Bacchanale,
stülpt auf den Sack, und dann hinein tat er den Ritter stecken,
darob erfaßte Graus und Pein allhie die andern Recken.
Zerstieben all vor Angst und Not nach allen Eck und Enden,
daß sie vor dem Gevatter Tod ein sichres Obdach fänden.
Der Ritter aber, so die Leut' im Leben arg geschunden,
der blieb bis auf die heut'ge Zeit spurlos und ganz verschwunden.
Und frei war wieder jedermann und kunnt für sich nun schaffen,
und eine Lehr uns bieten kann die Mär vom Spatzengrafen. (Verfasser unbekannt.)
Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, N.Ö
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