Der weiße Hund beim weißen Herrgott

Schon in alter Zeit stand auf dem Weg vom Dorfe Hollenstein nach Kleinhollenstein eine Mühle, die heutige Doberau. Das Geschäft des dortigen Müllers ging sehr gut, denn keiner verstand so gutes, schmackhaftes, weißes Brot zu bereiten wie er. Von weit und breit kamen die Leute, um sich dieses begehrte Gebäck zu holen. So wurde der Müller immer reicher und reicher, aber mit dem Reichtum wuchs auch seine Hoffart.

Es begab sich eines Tages, daß die Ybbs wieder einmal aus den Ufern getreten war und daß auch die enge Straße vor der Mühle voller Pfützen stand. Als nun der Müller, prächtig gekleidet, gerade zur Tür heraustreten wollte, bemerkte er den kotigen Weg und gab seinen Mühlknechten den Auftrag, mit einigen großen Brotlaiben die Pfützen auszufüllen, damit er trockenen Fußes in die Mühle hinüberkönne. Ein alter Mühlknecht warnte den Hoffärtigen, doch nicht mit der edlen Gottesgabe solchen Unfug zu treiben, doch der Müller schlug mit der Peitsche auf den Mahner. Da zog plötzlich ein starkes Gewitter auf und ein Blitz zuckte grell über das Firmament. Bei dem darauffolgenden Donnerschlag versank der auf einem Brotlaib knapp bei der Mühle stehende Müller. Die erschrockenen Angehörigen errichteten nun zum Andenken an den Versunkenen in der Nähe der Mühle ein HoIzkreuz. In Gewittemächten zeigt sich dort ein weißer Hund mit glühenden Augen, der fürchterlich heult. Das Kreuz selbst aber wird zum "weißen Herrgott" genannt. (Pschorn.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952

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