Der wilde Graben bei Ulmerfeld

Zwischen Ulmerfeld und Winklarn zieht sich gegen die Ybbs ein Graben hin. Auf seinem Grunde fließt ein Bächlein. Früher soll dasselbe unterirdisch geflossen sein. Um diesen Graben rankt sich folgende Sage:

Im Türkenjahre 1683 wurde die Frau des Ulmerfelder Turmwartes auf dem Turme bei der Fabiansleite als Hexe angeklagt, weil sie mehrere neugeborene Kinder in "Wechselbälge" verwandelt haben sollte. Viele Leute wollten sie auch, auf einem Besen reitend, aus dem Rauchfang herausfliegen gesehen haben. Die Angeklagte wurde zum Tode verurteilt und sollte tags darauf verbrannt werden. Als außerhalb der Ulmerfelder Ringmauer schon der Scheiterhaufen bereitstand und die angebliche Hexe an den Pfahl gebunden war, kamen einige keuchende Boten aus Winklarn dahergerannt, drängten sich durch die gaffende Menge und berichteten, daß viele, ganz schrecklich viele Türken von Winklarn her gegen Ulmerfeld im Anzuge seien! Auf diese Hiobsbotschaft entstand ein furchtbarer Wirbel! Die Hexe hatte man ihrem Schicksal überlassen. Doch rief sie vom Scheiterhaufen herunter wenn sie freigelassen werde, könne sie die Türken verhexen. Sie wurde ihrer Fesseln entledigt und lief sogleich in die Richtung, wo der heutige wilde Graben steht. Bald hörte man ein wildes Schreien, das den Türken zugeschrieben wurde. Jetzt reute es den Richter, die Hexe freigelassen zu haben, denn er meinte, sie habe aus Rache den Türken alles verraten. Doch vernahm man auf einmal ein fürchterliches Getöse und Lärmen das nach einigen Minuten plötzlich wieder verstummte. Als man in die Gegend, von wo der Lärm herangekommen war, ging, sah man. daß der vorher ebene Boden tief eingesunken war. Auf dem Grunde des neuen Grabens lagen viele Türkenleichen umher. Dieses soll das Werk der Hexe gewesen sein. Die Hexe aber wurde nie mehr gesehen. Seit jener Zeit wurde der unheimliche Ort von allen Leuten gemieden. Auch wurden seither viele unheimliche Geschichten erzählt, die sich im wilden Graben zugetragen haben sollten. So z. B. soll an der Stelle des heutigen Bildstockes beim Blorker-Häusl, also in nächster Nähe des wilden Grabens, oft und oft ein Mann ohne Kopf gesehen worden sein, bei dem aus dem Halse Feuer herausbrannte. Der Turm, in dem die Hexe gewohnt haben soll, wird heute noch das "Hexenloch" genannt. (Heimerl, Herbst.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, Band II; gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten; Herausgegeben von Ferdinand Adl, Amstetten 1952

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