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Die Mückenspritzer
Es war gerade zur Erntezeit und die Sonne brannte an der Ostsee vom wolkenlosen Himmel hernieder, da tanzte ein großer Schwarm von Haffmücken um die Kirchturmspitze von Fischhausen und wich und wankte nicht von der Stelle. Es schien, als ob aus dem Turme eine dichte Rauchwolke heraussteigen würde. Die Fischhauser, die immer als etwas kurzsichtig galten, meinten, daß hoch droben im Gebälk des Kirchturmes ein Brand tobe. Das Gesumme des Schwarmes hielten sie für das Knistern des Feuers im Glockenstuhl, und der Wirt bei der Kirche wußte sich nicht genug zu ereifern, daß er den ganzen Vormittag den Brandgeruch aus seiner Nase nicht hatte loswerden können. Zu guter Letzt legte sich noch der Bürgermeister ins Mittel und sagte: "Wo Rauch ist, muß auch Feuer sein; also schickt schnell die Feuerreiter aufs Land hinaus und bringt die Spritzen herbei!" Man befolgte streng seine Befehle, und während die Leute aus den benachbarten Orten mit ihrem Rüstzeug sich anschickten, zu Hilfe zu kommen, spritzten die Fischhauser mit ihrer kleinen Handspritze zum Glockenschalloch empor. Im Nu war die dicke Rauchwolke durch den kalten Wasserstrahl zerstoben, und was von ihr zur Erde fiel, das waren wohl keine Rußflöckchen, wie es sich die guten Leute erwartet hatten. Mücken aus dem Haff waren es, die bei ihrem Ausflug zur Kirchturm- spitze jäh aus ihrem Tänzchen gerissen wurden. Erst jetzt sahen sie ihren Irrtum ein und schämten sich ihrer Tat, für die sie von den Nachbarn ringsum fortan die "Mückenspritzer" genannt werden.
Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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