Die Fockebeker

Ein Fockbeker hatte einmal in Rendsburg*) für ein paar Schilling gesalzene Heringe gekauft und seine Nachbarn darauf zu Gast geladen. Sie fanden das Essen vortrefflich und wünschten, viele solcher Fische zu haben. Der Klügste unter ihnen gab den weisen Rat, einen ganzen Korb voll aus der Stadt zu holen und sie in den Teich des Dorfes zu setzen; da müßten sie sich vermehren und alle würden dann reichlich davon haben. Wie gesagt, so getan! Ging nun während des Jahres ein Fockbeker am Teich vorbei und es regte sich etwas im Wasser, so lief er zu den andern und erzählte es ihnen, und alle freuten sich schon über die Maßen des künftigen Gewinnes. Im nächsten Herbst ward ein großes Netz angeschafft. Aber der Klügste fand es am geratensten, den ganzen Teich ab- laufen zu lassen. Neugierig standen sie alle herum und hielten nach den Heringen Ausschau, jedoch kein einziger war zu erblicken, als alles Wasser schon abgelaufen war; nur ein Riesenaal wälzte sich im Schlamm. Er wurde sofort gefangengenommen, und darüber waren alle einig. daß nur er ihnen die Heringe aufgefressen haben konnte; dafür müsse er nun gehörig bestraft werden. "Laßt uns ihn schlachten und braten!" sagte einer. "Das wäre ihm just recht!", meinte ein anderer, und weil er sich einmal tüchtig verbrannt hatte, schlug er vor, ihn ins Feuer zu werfen. "Brennen ist wohl schlimm", sagte ein Dritter; aber weil der einmal ins Wasser gefallen war und bald ertrunken wäre, setzte er fort: "Laßt uns ihn in die Au werfen und ihn ersäufen; das ist meine Meinung!"

Alle stimmten bei, daß das Ertrinken der schrecklichste Tod sein müsse, und man ward einig, den Aal in die Au zu werfen. Der Bauernvogt legte ihn in einen Korb, schritt voran, alle folgten ihm; und wie er ihn nun ins Wasser warf, der Aal sich darin krümmte und vergnügt hin und her schaukelte, rief jener aus, der den guten Rat gegeben hatte: "Seht, wie es ihn quält!" Da freuten sich die Fockbeker baß und schritten lustig und guter Dinge nach Hause.

*) In Schleswig-Holstein, an der Eider, westlich von Kiel.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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