|
Wie ein Schuhmacher zu Braunschweig dem Till Eulenspiegel die Stiefel spickte
Zu dem Schuster zu Braunschweig, der auf dem Kohlmarkt seinen Laden hatte, kam einmal Eulenspiegel und wollte seine Stiefel schmieren lassen. Er sagte: "He, Meister Knieriem, wenn Ihr mir bis Montag diese Stiefel spicken könntet, so wäre es mir recht." Als er nun wieder auf der Straße war, sprach der Geselle zu seinem Meister: "Das ist Eulenspiegel, der doch mit aller Welt seine Possen treibt darum sagte er jetzt auch spicken für schmieren. Wir wollen sie ihm spicken, wie man einen Braten spickt!" Der Meister rief: "Ja, das wollen wir! Wir wollen tun wie er uns geheißen hat", und nahm Speck und Spicknadel und spickte die Stiefel wie einen Braten.
Als nun Eulenspiegel am Montag kam und fragte, ob seine Stiefel bereit seien, da hatte sie der Meister an die Wand gehängt und zeigte sie ihm, wie sie waren. Eulenspiegel sagte darauf: "Das habt Ihr gut gemacht, Ihr habt getan, wie ich Euch hieß; was bin ich dafür schuldig?"Und der Meister sagte: "Einen halben Groschen", und gab Ihm seine Stiefel. Eulenspiegel nahm sie und ging aus dem Laden. Der Meister und sein Geselle aber lachten gar toll und sagten: "Nun ist er selbst geäfft worden."
Unterdessen aber läuft Eulenspiegel mit Kopf und Schultern durch das Glasfenster der Auslage in den Laden hinein und sagt zum Schuster: "Meister, was ist das für Speck, den Ihr zu meinen Stiefeln genommen habt? Ist es Speck von einer Sau oder von einem Eber?" Der Meister verwunderte sich zuerst über die Frage. Wie er aber sah, daß Eulenspiegel ihm seine Scheibe eingedrückt hatte ward er zornig und schrie: "Wenn du das nicht lassen willst, so werde ich dich vor den Kopf schlagen, daß du genug genug hast." Eulenspiegel sprach: "Lieber Meister, regt Euch nicht auf, ich wüßte sehr gern, was das für Speck war, mit dem Ihr meine Stiefel gespickt habt, von einem 'Eber oder einer Sau." Der Meister schrie: "Lasse mir lieber meine Fenster unzerbrochen!" Also sprang Eulenspiegel wieder bei dem Loch hinaus, bei dem er hereingekommen war, und sagte: "Wenn Ihr mir's eben nicht sagen wollt, so muß ich gehen und einen andern fragen."
Der Meister aber war zornig auf seinen Gesellen und sagte: "Du hast mir den Rat gegeben, nun gib mir auch den Rat, daß mein Fenster wieder gemacht wird." Der Geselle schwieg still, der Meister aber tobte weiter und sprach: "Wer hat nun den andern geäfft? Ich hab' immer gehört, daß man mit Spitzbuben betrogen ist."
Also mußte der Geselle wandern, denn der Meister wollte die Auslagenscheibe von ihm bezahlt haben, dafür, daß er den Rat gab, man solle die Stiefel spicken.
Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
|
|