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Der Trunk aus dem Stiefel
Auf dem hohen Rheingrafenstein bei Kreuznach, wo die Nahe heraustritt in die Rheinebene. war einst die Blüte der rheinischen und pfälzischen Ritterschaft versammelt. Bis in die tiefe Nacht hinein hatten die Herren bei Fackelschein im alten Rittersaale gezecht; so manchen feinen Tropfen von der Nahe, der Alfenz und dem Rhein wußte der Gastgeber seinen lieben Gästen vorzusetzen. In übermütiger Zecherlaune erhob sich da plötzlich der Herr des Schlosses aus seinem schweren Eichenstuhl und ließ sich vor der glänzenden Versammlung also vernehmen: "Hier, diesen Reiterstiefel, ihr edlen Herren, ließ jüngst ein Kurier bei mir zurück. Bei der Ehre meines Hauses verkünde ich euch: Wer ihn in einem Zuge leert, dem soll drunten im Tale Dorf Hüffelsheim gehören!"
Und lachend nahm der Rheingraf den Stiefel aus der Hand des Knappen und füllte ihn bis zum Rand. "Wohlan, ihr Herren, ihr kennt den Preis!"
Der wackere Johann von Sponheim, sonst kein schlechter Zecher, sagte kein Wort und blickte nur fragend hinüber zu seinem Nachbarn, dem Ritter Meinhard von Dhaun, verlegen bewegte der das Haupt und zog scheu die dunklen Brauen zusammen. Sogar der alte Flörsheim strich sich zweifelnd durch den grauen Bart, dieses Maß war ihm doch zu groß. Auch die Landsberger, Randegger, der Falkensteiner Ritter und andere wackeren Zecher saßen stumm; denn allzusehr hatten sie schon den Humpen gelüpft. Als alles schwieg, da sprang plötzlich Boos von Waldeck auf, ein Hüne von Gestalt. All sein Hab und Gut hatte er vertrunken. Mit donnernder Stimme rief er in den Saal hinein: "Her mit dem Schlückchen, ich nehm' Euch beim Wort, Rheingraf!" Und als ob er noch nichts getrunken hätte und gerade von einem hitzigen Ritt käme, so leerte er in langen, tiefen Zügen den mächtigen Reiterstiefel bis auf den Grund. Dann stellte er ihn dröhnend auf den Tisch und ließ sich schwer in den Sessel fallen.
Vergnügt schaute er im Kreise umher, und zum Burgherrn gewandt, sagte er lachend: "Herr Rheingraf, ließ der Kurier nicht auch seinen andern Stiefel zurück? Weil ich in einer zweiten Wette mir auch noch das Dorf Roxheim erwerben möchte." Alles lachte und bejubelte den glücklichen Boos.
Der Rheingraf aber, der diesen Ausgang nicht erwartet hatte, schnitt ein kümmerliches Gesicht und wehrte ab. Doch Dorf Hüffelsheim gehörte seit der Stunde dem trinkfesten Ritter Boos von Waldeck.
Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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