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Die Riesenblunzen
Die Metzger von Lauingen, die um gute Einfälle nie verlegen waren, taten sich einmal alle zusammen und erzeugten eine Riesenblunzen, die das Wohlgefallen aller Stadtbewohner erregte. Das Ungetüm glich einer ungeheuer langen und dicken Schlange, die zu einem Nachtmahl für alle Lauinger gereicht hätte. Aber, O Schreck! In der ganzen Stadt konnte man keinen so großen Kessel auftreiben, um sie hineinzulegen und darin zu sieden. Jedoch die Metzger wußten bald Rat und kamen auf den Gedanken, die Blutwurst in der nahen Donau zu kochen. Zu diesem Zwecke schlugen Holzknechte einen ganzen Wald nieder und schleppten im Schweiße ihres Angesichts Tausende von Meter Holz bis unter die Donaubrücke, um sie dort an beiden Ufern in hohen Stößen aufzurichten. Hierauf ließ die Obrigkeit auf allen Plätzen austrommeln, wann man mit dem Sud des seltsamen Gerichtes beginnen werde. Zur festgesetzten Zeit schritt alt und jung in feierlichem Zuge unter Musikbegleitung durchs Stadttor hinaus. Voran trugen die Stadtväter gar würdevoll auf einer langen Stange die Riesenblunzen zur Brücke hinab, wo man sie mit ihren Enden an den Seitenpfeilern aufhing. Während sie so über dem Wasser schwebte. wurden die Holzstöße angezündet. Das Feuer loderte mächtig empor und der Wind trieb den Qualm gegen die schaulustige Menge, die am Ufer Kopf an Kopf stand und neugierig dem seltsamen Schauspiel zusah. Doch die Riesenblunzen gab sich ganz und gar nicht in ihr Schicksal. Die aufsteigende Wärme tat ihr recht wohl und sie baumelte mit Vergnügen über dem Wasser hin und her. Obwohl man den ganzen Tag feuerte und sich Mühe gab, die tanzende Wurst zum Sud zu bringen, sie blieb hartnäckig und ließ sich durchaus nicht kochen. Die Metzger machten recht dumme Gesichter und ließen beschämt die Köpfe hängen. Zu guter Letzt wurden sie von der nun ungeduldig gewordenen Menge ausgelacht und mußten unter Spott und Hohn den Schauplatz verlassen, der sie hätte berühmt machen sollen.
Nach kurzer Zeit war jenes Ereignis vergessen und die Metzger waren recht kleinlaut geworden. Auch fiel es niemandem mehr ein, nach der Wurst zu schauen und man ließ sie weiter unter der Brücke hangen.
Nun wollte es der Zufall aber, daß an einem Herbst- morgen ein Bürger der Stadt an der Brücke vorbeikam und einen weißen Nebel aus der Donau aufsteigen sah. Ohne sich lange zu besinnen, lief er Hals über Kopf nach Lauingen hinein, trat atemlos zum Bürgermeister vor und rief dabei in einem fort:
"Hört, Leute, die Donau siedet und die Blunzen kocht!"
Da ließ sich niemand halten und alles stürzte mit dem Bürgermeister an der Spitze hinab zum Donaustrande, um die Freude mitzuerleben, wie die gesottene Wurst her- ausgezogen wird. Wie machten sie aber alle wieder enttäuschte Gesichter, als sich herausstellte, daß die Wurst sich nicht verändert hatte und ihrer Hartnäckigkeit treu geblieben war.
Seitdem werden die Lauinger mit dem Spottnamen Riesenblunzen geneckt und haben darunter noch heute zu leiden.
Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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