Till Eulenspiegel in Feldbach

Till Eulenspiegel, der lose Schalk, führte stets ein sorgenloses Leben. Er war ein Mann, wie ein Vogel so frei und ungebunden, der die weiten Gaue des großen Vaterlandes durchzog und überall seine Späße trieb. Wenig Leute wissen es jedoch, daß er auch einmal in der Steiermark geweilt hat. Es wurde damals gerade in Feldbach ein großes Fest gefeiert und die Stadt prangte im Fahnenschmucke. Reges Leben und Treiben herrschte auf dem Hauptplatze und in all den Schenken ging es bei Musik und Tanz gar lustig zu. Als das Fest auf dem Höhepunkt war, kam Eulenspiegel in einer prächtigen Kutsche angefahren. Er trug die Kleidung eines Edelmannes und gab sich für einen großen Herrn und Zauberer aus. Alsbald umdrängte ihn alt und jung und betrachtete gar neugierig den seltsamen Fremden, der sich mit ihnen in ein Gespräch einließ, sich mit ihnen in einer Schenke zu Tische setzte und prächtig unterhielt. Im Laufe der Unterhaltung fragten sie ihn, wie er zu seinem Reichtum gekommen sei, sie möchten dies deshalb wissen, da sie es ihm gar gerne nachmachen würden. Darauf entgegnete er, das würden sie gar nicht nötig haben, er könne vielen von ihnen selber den Reichtum geben, den sie sich nur wünschen, doch müßten sie eines befolgen. Da machten alle große Augen und freuten sich im stillen schon ihres Reichtums, der ihnen nun winken würde. Sie versicherten daher dem Fremden, daß sie alles getreulich ausführen würden, was er verlangen werde. Und er betonte, sie mögen sich alle in einer schnurgeraden Reihe auf dem Hauptplatze aufstellen, und wenn er dann dort um 12 Uhr nachts sich einfinde, werde er jeden Siebenten von ihnen zum über- reichen Manne machen, daß er aus gesorgt haben werde,

Als nun der Mond über dem Kirchturme stand, liefen die Leute dem Hauptplatze zu und drängten sich zusammen. Sie begannen dort zu stoßen, zu schieben und zu drücken daß es eine Art war; denn sie waren alle willens, 'eine gerade Reihe zu bilden. Weil aber keiner zu den Sechs in der Reihe gehören und jeder der glückliche Siebente sein wollte, so machten sie sich diesen Platz immer wieder streitig, so daß eine Balgerei entstand, wobei sie aufeinander einschlugen. Da gab es arge Beulen und schwere Köpfe, und als vom Turme die zwölf Schläge herab tönten, erschien Till Eulenspiegel auf dem Platze, wie er es versprochen hatte. Die Leute hatten noch immer nicht aufgehört sich zu balgen und zu stoßen, zu lärmen und zu schreien und es noch immer nicht zustande gebracht, eine kerzengerade Reihe zu bilden. Der lose Schelm lachte aus vollem Halse über das tobende Volk, sah noch eine Weile den Wirbel an, dann machte er sich aber davon. Niemals mehr kam den Feldbachern der Wunsch über die Lippen, jemals reich werden zu wollen.

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

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