"Zum Esel in der Wiege“

Wigand lebte nun glücklich und zufrieden auf seiner Pfarre. Der Herzog sah ihn gerne an seinem Hofe, zumal er ihm auch in schweren Zeiten zur Seite stand und ihm kluge Ratschläge zu erteilen wußte. An der Tafel gab es noch einen zweiten "lustigen Rat", der Neidhard Fuchs genannt wurde. Die beiden Räte waren immer fröhlich und guter Dinge und spielten einander so heitere Possen, daß der ganze Hofstaat stets sein Vergnügen hatte. Der Herzog mußte oft so lachen, daß ihm das Herz im Leibe wackelte. Wigand hatte wohl einen weiten Weg zur herzoglichen Burg, und war er genötigt, ihn auf Schusters Rappen zurückzulegen, so wurde er oft recht müde. Als er dies einmal Neidhard Fuchs klagte, gab ihm der den Rat, am Hofe mit staubigen und durchlöcherten Schuhen zu erscheinen, vielleicht daß dann der Herzog sich seiner erbarme und ihm ein flinkes Rößlein zum Geschenke mache. Dieser Einfall gefiel unserm guten Wigand und er kam richtig mit ganz zerrissenem Schuhwerk angewandert. Es war derart schlecht, daß die Zehen herausstanden. Herzog Otto stellte ihn deshalb gleich zur Rede. Doch gar beweglich klagte und jammerte Wigand, daß er gar arm sei und es ihm kein besseres Paar Schuhe trage. Da erbarmte sich der gnädige Herr und schickte den Pfarrer von der Tafel weg zu dem Hofschuster, damit ihm der auf des Herzogs Kosten eine bessere Schuhbekleidung mache. Doch das war es nicht, was der pfiffige Wigand erreichen wollte. Er hatte etwas anderes im Sinn. Schnurstracks eilte er zu einem Goldschmied, bei dem er sich zwei schwere, silberne Sohlen mit goldenen Nägeln auf die Schuhe schlagen ließ. So kostbar angetan, erschien er wieder an des Herzogs Tisch, wo man seiner schon wartete. Doch wie staunten die Gäste, als sie das sonderbare Schuhwerk erblickten, und die ganze Tafelrunde brach in tolles Gelächter aus. Ja, selbst der Herzog konnte sich des Lachens nicht erwehren und machte gute Miene zum bösen Spiel. Aber innerlich grollte er ihm und dachte daran, den verwegenen Wigand für seinen Streich bei nächster Gelegenheit zu bestrafen.

Einmal war der Herzog bei besonders guter Laune und machte allen seinen Gästen ein Geschenk, das er vor dem Mahle jedem auf den Teller legen ließ. Er vergaß aber absichtlich Wigand, dessen Teller also leer blieb. Doch der Pfarrer hatte schon vorher die Nase hinein gesteckt, und weil er 'nicht leer ausgehen wollte, so packte er den Teller und schlich damit heimlich in den Stall des Herzogs. Dort suchte er das schönste Pferd aus und band es mit dem Vorderfuß an seinem Teller fest. Hierauf kehrte er wieder, ohne gesehen zu werden, an des Herzogs Tafel zurück und setzte sich an seinen Platz. Während nun die übrigen Gäste ihre Geschenke neugierig betrachteten und dem edlen Spender dafür dankten, bat Wigand seinen Herrn, er möge doch in den Stall kommen um dort jenes Geschenk zu besehen, das man ihm beschert habe. Erstaunt folgte der Herzog mit all seinen Gästen, und Wigand traute aber seinen Augen kaum, als er sah, wie auf seinem Teller ein Esel stand und daran festgebunden war.

Nun wurde Wigand gar übel mitgespielt, zuerst begann ihn alles auszulachen, dann überschütteten sie ihn mit Spott, daß er am liebsten in den Boden gesunken wäre. Am ärgsten trieb es Neidhard Fuchs, der sicherlich den Schabernack verübt haben mußte. Das dachte auch Wigand; er warf ihm einen zürnenden Blick zu, packte seinen Esel, verließ die Gesellschaft und ritt heim.

Die ganze Nacht konnte er kein Auge zudrücken, der Ärger ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Als die Sonne aufging, holte er sein neues Reittier aus dem Stall, setzte sich darauf und ritt in die Stadt. Daselbst erstand er eine großmächtige Wiege, legte den Esel hinein und ließ die Wiege samt dem sonderbaren Inhalt durch einen fremden Mann zu Neidhard Fuchs bringen. Ohne viel Umstände zu machen, stellte der Fremde die Wiege in der Stube nieder und sprach zu dem lustigen Rat: "Eure Frau ist fortgegangen und läßt Euch sagen, Ihr möget einstweilen auf das Kind in der Wiege aufpassen und es gut betreuen!" Kaum hatte Neidhard die Wiegendecke aufgehoben, so fand er darunter den Esel, den Wigand auf seinem Teller im Stalle des Herzogs vorgefunden hatte. Wigand lachte sich ins Fäustchen, daß es ihm gelungen war, Neidhard auch eins am Zeug zu flicken. Auch der Herzog, dem der Streich mitgeteilt wurde, lachte herzlich darüber, und Wigand wurde wieder Hahn im Korb am Hofe zu Wien. Der Herzog schenkte ihm nun statt des Esels ein schönes Pferd und soviel Hafer dazu, als sein Metzen fassen konnte. Da kam Wigand mit einem Maß herbei, das er zuvor durchlöchert hatte. In der Futterkammer füllte man ihm nun solange Hafer in den Metzen, bis es Abend ward und er vor Müdigkeit nicht mehr das Maß halten konnte. Ein großer Wagen mußte angefahren werden, um das Futter heimzubringen, zu dem er auf diese schlaue Art gekommen war. Von diesen lustigen Streichen erhielt ein altes Haus in der Kärntnerstraße das Schild: „Zum Esel in der Wiege“, ein anderes das Hauszeichen: „Zum durchlöcherten Metzen.“

Quelle: Schelme und Narren; Josef Pöttinger; Verlag Ferdinand Ertl Wien; 1941

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 

 
designed by © Norbert Steinwendner, A 4300 St. Valentin