Der Bauer mit den sieben Eseln

Unweit von Eisenach, das sechs Meilen von Erfurt entfernt ist, saß auf einem Gehöft ein Bauer. Dieser mußte einem Edelmann, der auf einem Schlosse hauste, das am Wege von Eisenach nach Vacha auf einem hohen Berge lag, jahr- aus, jahrein Frondienste leisten und den Zehent abliefern. Es war diesmal gerade am Michaelstag, daß der Bauer sein Korn ausgedroschen hatte und seinen Zins dem Junker davon abliefern wollte. Er konnte aber unmöglich einen Wagen den Berg hinaufbringen, daher die Landleute überhaupt dort um den Harz und dem Ländchen um Fulda herum, der gebirgigen Gegend wegen, viele Esel besaßen, die ihnen das Getreide sowie das Wasser und was sie sonst ins Dorf oder zu Markt bringen wollten, tragen mußten. Unser Bauer besaß nun deren sieben; er selbst hieß mit Namen Hermann.

Der gute Hermann belud seine sieben Esel mit dem Zehent und trieb sie den Berg hinauf zum Schloß des Edelmanns. Er ward sogleich eingelassen, man lud ihm die Esel ab und gab ihnen Futter. Ihm selbst wurde Butter, Käse und eine tüchtige Kanne Bier vorgesetzt. Damit spülte er sich die Backen aus und füllte seinen Bauch. Nachdem der gute Hermann mit seinen Eseln satt war und wieder heimkehren wollte, setzte er sich auf den einen und trieb die andern sechs vor sich her den Berg hinab. Als er im Tale unten angekommen war, fing er an, seine Esel zu übersehen, zahlte dabei die sechs, die vor ihm herliefen, und vergaß den gleichfalls mitzuzählen, auf dem er saß, so daß er vermeinte, nur mehr sechs zu haben. Er wurde betrübt, jagte die sechs nach Hause, trieb sie in den Stall, ritt auf dem siebenten rasch wieder davon und fragte alle Bauern auf dem Felde, ob sie seinen Esel, den er vor seinen Augen soeben verloren, nicht gesehen hätten. Wen er indessen auch befragte, keiner konnte es ihm sagen. Nun ritt er noch betrübter auf seinem verlorenen Esel durch das Holz, indem er fortwährend schrie und nach ihm rief. Doch es half nichts; er konnte ihn nicht finden und mußte unverrichteter Dinge auf dem verlorenen Tiere wieder heimreiten.

Sein Weib, dem inzwischen schon angst und bange um den lieben Mann wurde, kam ihm, als es ihn erblickt hatte, gleich entgegen und fragte: "Mein lieber Hermann. wo bist du so lange gewesen?" - "Ach, warum soll ich dir nicht auch meinen Jammer klagen", meinte er traurig. "Als ich gerade den Schloßberg herunterreite, verliere ich vor meinem Angesicht meinen Esel und weiß nicht, wohin ihn mir der Teufel entführt hat." Dabei stieg er von seinem verlorenen Esel herab.

Die Frau zählte die sechs Esel im Stall und den siebenten vor dem Tore, den der gute Hermann gesucht und welchen er vor kurzem noch geritten, fing herzlich zu lachen an und sprach: "Schau, mein lieber Hermann, ob dies hier nicht dein Esel ist, den du solange gesucht hast!" Der Mann sah ihn an und erkannte, daß es richtig sein Esel war, den er so schmerzlich vermißt hatte, wurde wieder froh und mußte nun selbst über seine Einfalt lachen. Hierauf führte er das wiedergefundene Tier zu den sechs übrigen.

 
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