JANKO UND DIE SCHÖNE ULIANA

Es war einmal ein König und eine Königin, die hatten drei schöne Töchter und einen Sohn.
Einmal mußten der König und seine Gemahlin verreisen, und bevor die Eltern das Schloß verließen, sagte der König zu seinem Sohn, er möge auf seine Schwestern gut achten. Der Sohn versprach es, und der König und die Königin fuhren ab.
Schon am zweiten Tag, genau um die Mittagszeit, klopfte jemand an das Fenster und rief:
„Janko, junger Prinz, gib mir deine älteste Schwester zur Frau.“ Es war der Sonnenkönig.
Janko rief seine älteste Schwester und fragte sie:
„Willst du heiraten?“
„Wahrlich, ich will“, antwortete die Schwester.
„Nun, so komm“, sagte Janko, hob sie zum Fenster hinaus, der Sonnenkönig setzte sie in seinen Wagen und führte sie heim.
Am gleichen Abend klopfte wieder jemand ans Fenster und rief:
„Janko, junger Prinz, gib mir deine mittlere Schwester zur Frau.“
Das war der Windkönig.
Janko rief seine zweite Schwester und fragte sie:
„Willst Du heiraten?“
„Wahrlich, ich will“, sagte die.
„Nun, so komm.“ Janko hob sie zum Fenster hinaus, der Windkönig fing sie auf seine Flügel und trug sie heim.
In der Nacht klopfte es wieder und jemand rief:
„Janko, junger Prinz, gib mir deine jüngste Schwester.“ Das war der Mondkönig.
Janko rief die jüngste Schwester, und als ob er schon wüßte, daß auch sie nach einem Mann begehrte, hob er sie zum Fenster hinaus. Der Mondkönig nahm sie in die Arme und auf der silbernen Brücke führte er sie heim.
Als die Eltern zurückkehrten, ging ihnen Janko entgegen, aber die Töchter kamen nicht. Da fragten der König und die Königin nach ihnen.
„Wahrlich, ich habe sie alle drei verheiratet.“
„An wen?“ fragten die Eltern erschrocken.
„Die älteste gab ich dem Sonnenkönig, die mittlere dem Windkönig und die jüngste dem Mondkönig.“
„Mit solchen Schwiegersöhnen sind wir einverstanden“, sagte der König, aber die Königin kränkte sich doch, weil sie den Töchtern nicht hatte die Hochzeit bereiten können.
Nach einiger Zeit sagte Janko zu seinem Vater:
„Ich möchte meine Schwestern besuchen, und außerdem möchte ich mir gern die Welt ansehen.“
„Mir ist es recht“, meinte der König, „Gott gebe dir Glück.“ Auch die Mutter wehrte ihm nicht, als sie hörte, daß er die Schwestern besuchen wollte.
Janko zog also in die Welt. Lange ging er über weite Ebenen, durch tiefe Wälder, bis er eines Tages zu einer großen Wiese kam, auf welcher ausgebleichte Menschenknochen herumlagen.
„Wer mag euch alle erschlagen haben?“ fragte Janko und nahm einen Schädel in die Hand.
„Die starke Jungfrau, die schöne Uliana“, antwortete der Schädel.
„Weshalb hat sie euch erschlagen?“
„Weil unser König sie haben wollte und sie nicht zu überwinden vermochte. Deshalb hat sie uns alle auf einmal erschlagen mit ihrem Schwert.“
Janko legte den Schädel hin und ging weiter.
Er ging lange, dann kam er zu einer zweiten Wiese und sah auch dort die gebleichten Knochen erschlagener Menschen.
Janko hob wieder einen Schädel auf und fragte:
„Wer hat euch alle erschlagen?“
„Die starke Jungfrau, die schöne Uliana, hat uns erschlagen mit ihrem Schwert, weil unser König sie haben wollte und sie nicht besiegen konnte“, antwortete der Schädel.
Janko legte ihn hin und ging weiter.
Er kam zu einer dritten Wiese, und da lagen die Knochengerüste der Toten wie Holz geschichtet.
„Wer hat euch alle erschlagen?“ rief Janko aus und neigte sich zu einem Knochengerüst nieder.
„Uns hat die starke Jungfrau, die schöne Uliana, erschlagen, weil unser König sie haben wollte und nicht bezwingen konnte. Mit ihrem Schwert hat sie uns erschlagen.“ So sprach das Knochengerüst.
„Wo ist die schöne Uliana zu finden?“ fragte Janko.
„Hinter diesem Tal im marmornen Schloß wohnt sie“, antwortete der Tote.
Janko ging weiter, durchschritt das Tal, wo viele tote Soldaten lagen, und sah bald vor sich das marmorne Schloß.
Er trat ins Schloß ein, ging bis in die Vorhalle und begegnete niemandem. In der Halle sah er an der Wand ein Schwert hängen, das immerzu aus der Scheide herauszuspringen versuchte.
„Wenn du springen willst, so komm zu mir“, sagte Janko, zog das Schwert aus der Scheide und schwang es durch die Luft. Dann steckte er in die leere Scheide sein eigenes Schwert, das fremde behielt er. Kaum hatte er es in seine Scheide gestoßen, trat die schöne Uliana in die Halle. Eines verneigte sich vor dem andern, und die schöne Uliana fragte:
„Weshalb kamst du her?“
„Ich will mit dir kämpfen“, antwortete Janko.
„Was macht dich so verwegen?“
„Wahrlich, verwegen bin ich“, sagte Janko und schlug auf sein Schwert, das gar nicht das seine war.
„Gut, so messen wir unsere Kräfte gegeneinander“, rief die starke Jungfrau, sprang zur Wand hin, riß das Schwert aus der Scheide, und sie merkte nicht, daß es nicht ihr Schwert war.
Auch Janko zog das Schwert, und als sich nun die Jungfrau auf ihn stürzte, hieb er nur ganz leicht zurück, und schon hatte er ihr das Schwert aus der Hand geschlagen.
„Ich sehe, du bist stärker als ich“, sagte die schöne Jungfrau. „Du kannst bei mir bleiben.“
Damit war Janko einverstanden, denn die schöne Uliana gefiel ihm.
Uliana führte Janko durch zwölf Zimmer, eines war schöner als das andere. Dann bewirtete sie ihn, und dann tauschten sie viele Zärtlichkeiten miteinander.
So lebten sie einige Tage glücklich, und Janko vergaß, daß er seine Schwestern hatte besuchen wollen. Er vergaß überhaupt alles bei seiner schönen Uliana.
Eines Tages aber sagte sie:
„Mein teurer Janko, ich muß dich für einige Zeit allein lassen, aber ich komme bald wieder. Hier hast du den Schlüssel zu den dreizehn Zimmern. Zwölf Zimmer darfst du betreten, das dreizehnte sperre aber nicht auf, sonst ergeht es dir schlecht.“
Janko blieb also allein im Schloß. Er fühlte sich wie ein Wesen ohne Seele. Traurig und verdrossen ging er aus einem Zimmer ins andere. Ein Tag verstrich, der zweite auch. Aber am dritten Tag war seine Langeweile so groß, daß er beschloß, sich das dreizehnte Zimmer anzusehen. Er nahm also den Schlüssel und sperrte es auf. Da sah er einen Feuerdrachen sitzen, der mit eisernen Reifen gefesselt war.
„Wer hat dich gefesselt?“ fragte Janko.
„Ich will es dir gern sagen, aber zuerst bringe mir einen Krug Wein aus dem letzten Faß im Keller. Ich bin sehr durstig.“
Der gutmütige Janko ging und kam wieder mit dem vollen Krug.
Als der Drache den Wein getrunken hatte, sprangen die Fesseln von ihm ab.
„Du hast bei mir ein Leben gut“, sagte der Drache.
Plötzlich stand die schöne Uliana neben ihnen.
Der Drache sprang auf sie zu, packte sie, und ehe Janko zur Besinnung kam, saß er mit ihr auf seinem Feuerroß, welches auf seinen Ruf durch die Luft herbeigeflogen war, und im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.
Da hatte Janko genug zu beklagen. Weinend ging er aus dem Schloß. Er wollte seinen Schwager, den Sonnenkönig, aufsuchen, vielleicht konnte der ihm helfen.
Er mußte lange gehen. Als er endlich ans Ziel kam, war der Sonnenkönig nicht daheim, aber die Königin, seine Schwester.
Sie empfing ihn mit Freude und fragte gleich nach den Eltern, und während sie noch miteinander plauderten, kam der Sonnenkönig.
Er begrüßte seinen Schwager und sah ihn gern, und gleich fragte janko den König, ob er nichts von der schönen Uliana wisse. Der Sonnenkönig wußte nichts, meinte jedoch, daß vielleicht sein Bruder, der Mondkönig, helfen könne.
Gleich nach dem Abendessen machte sich Janko auf, um den Mondkönig aufzusuchen.
Der Mondkönig wollte gerade ausgehen, aber dem Schwager zuliebe blieb er. Die Schwester freute sich sehr über ihren Bruder und ließ ihn lange Zeit gar nicht zu Worte kommen. Schließlich hatte Janko alle ihre Fragen beantwortet, und nun wandte er sich mit seiner Herzenssache an den Mondkönig.
„Wahrlich, von der schönen Uliana weiß ich gar nichts, vielleicht kann mein Bruder, der Windkönig, dir einen Rat geben.“
Janko machte sich also auf den Weg zum Schwager Windkönig, und der Mondkönig begleitete ihn.
Sie begegneten dem Windkönig auf seinem Heimweg. Der Mondkönig mußte weiterwandern. Janko blieb und erzählte dem Windkönig von seinem Mißgeschick.
„Wahrlich, ich weiß, wo Uliana ist. Der Feuerdrache hat sie auf seinen Feuerhof gebracht. Sie muß hart arbeiten und immer im siedenden Wasser waschen. Ich bringe ihr jeden Tag Kühlung.“
„Wie komme ich zum Feuerhof?“ fragte Janko.
„Komm mit mir in mein Haus, ich werde dir ein Pferd geben, das wird dich hintragen.“
Janko ging mit dem Schwager. Als ihn seine dritte Schwester begrüßt und nach allem gefragt hatte, was sie von den Eltern wissen wollte, setzte er sich auf das Pferd des Schwagers, und nach einem schönen Dank ritt er eilig davon, wohin das Pferd ihn trug. Und das Pferd trug ihn in den Hof des Feuerdrachens.
Gerade stand die schöne Uliana am Brunnen und wusch ein Gewand des Feuerdrachens in siedendem Wasser. Janko schrie auf, riß sie zu sich aufs Pferd, und im Hui waren sie davongestoben.
Aber was dann, wenn das Flügelroß des Drachens rascher war als der Wind?
Der Drache hielt seinen Mittagsschlaf, da hörte er sein Feuerroß wiehern und mit den hufen stampfen.
„Was fehlt dir?“ schrie er durchs Fenster. „Hast du nicht Heu wie Gold und Wasser wie Wein?“
„Ich habe Heu wie Gold und Wasser wie Wein, aber die schöne Uliana ist entführt worden“, antwortete das Roß.
Da schnellte der Drache empor, aber sein Flügelroß rief:
„Schlafe eine Stunde und rauche eine Stunde, und wir kommen immer noch zurecht.“
Da beruhigte sich der Drache. Er rauchte eine Stunde, schlief eine Stunde, dann setzte er sich auf sein Flügelroß. Dieses erhob sich und in einigen Augenblicken hatten sie Janko eingeholt. Der Drache entriß ihm die schöne Uliana.
„Jetzt könnte ich dich in lauter kleine Stücke zerreißen, aber du hast bei mir ein Leben gut, weil du mich befreit hast. Wenn du dich aber noch einmal in meinem Hof sehen läßt, dann werde ich dir ein zweites Leben nicht mehr schenken.“
Bevor Janko etwas sagen konnte, war er seinen Augen entschwunden und mit ihm die schöne Uliana.
Weinend kehrte Janko zum Windkönig zurück.
„Lieber Schwager, wenn du die schöne Uliana dem Drachen entführen willst, müßtest du ein Roß haben, das dem Feuerroß des Drachen gleicht.“
„Wo nehme ich ein solches Roß her?“ fragte Janko.
„Eine Hexe hinterm Meer besitzt den Bruder des Feuerrosses, und der ist noch schneller als des Drachen Roß.“
„Könnte ich dieses Roß gewinnen?“ fragte Janko.
„Gewiß kannst du das, wenn du zur Hexe gehst und das tust, was sie von dir verlangt. Aber es wird dir schwer gelingen, sie zufriedenzustellen.“
„Ich wage es!“ schrie Janko.
Als der Windkönig sah, wie entschlossen Janko war, rief er seine beiden Brüder, den Sonnenkönig und den Mondkönig, herbei. Jeder der drei Könige gab dem Janko einen Stab. Der Sonnenkönig einen goldenen, der Mondkönig einen silbernen und der Windkönig einen hohlen.
Dann sagten sie: „Brauchst Du unsere Hilfe, so stoße einen dieser Stäbe in den Boden, und sofort wird einer von uns an deiner Seite sein.“
Janko dankte und eilte davon, aber der Windkönig rief ihn zurück: „Lieber Schwager, wenn du zu Fuß gehen wolltest, brauchst du länger als ein Jahr, und die schöne Uliana würde sich indes zu Tode gearbeitet haben. Steig auf meine Flügel. Ich bringe dich hin.“
Freudig tat Janko dieses. Sie flogen über Berge und  über Täler und übers Meer und bald waren sie am Ziel.
Als Janko durch das Tor des Hexenhauses trat, stand die Hexe im Hof.
„Was willst du hier?“ fuhr sie ihn an.
„Ich suche Arbeit“, antwortete Janko.
„Verstehst du Pferde zu weiden?“ fragte die Hexe.
„Freilich kann ich das“, behauptete Janko.
„Dann kannst du bleiben. Drei Rösser mußt du auf die Weide führen. Besorgst du das drei Tage lang zu meiner Zufriedenheit, so bekommst du, was du willst. Wenn sie aber davonlaufen, schlage ich dir den Kopf ab.“ So sprach die Hexe. Janko aber blieb.
Am Morgen führte die Alte drei schöne Pferde in den Hof. Das waren aber ihre drei Töchter. Janko übernahm sie und trieb sie auf die Weide und dachte dabei: Die Aufgabe ist nicht schwer. Kaum aber waren sie draußen, da verwandelten sich die drei Pferde in drei tauben und – frrr! – flogen alle drei in den Wind.
„Ihr seid mir schöne Pferde“, schrie Janko und schaute ihnen nach, wie sie am Himmel Kreise zogen. Da erinnerte er sich an seine Schwäger und gleich stieß er den hohlen Stab in die Erde. Im nächsten Augenblick kam der Windkönig geflogen, und Janko erzählte ihm rasch, was geschehen war.
„Gleich werde ich dir die Tauben herunter holen“, sagte der Windkönig und reichte ihm gleichzeitig drei Halfter. „Sobald sie dir nahe sind, wirf die Halfter auf sie.“
Kaum hatte er das gesagt, verschwand der Windkönig in den Wolken, und gleich darauf brach ein Unwetter los. Die Tauben wurden hin und her gebeutelt, bis ihnen die Flügel lahm wurden, dann drückte der Windkönig sie auf den Erdboden nieder, vor die Füße des Janko. Der warf eilig die Halfter über sie, und nun standen sie wieder als Pferde da und rührten sich nicht mehr von ihm weg.
Als es Zeit war heimzugehen, führte er sie an den Halftern in den Hof und übergab sie der hexe. Die Halfter aber nahm er an sich.
Die Hexe wunderte sich, aber sie schwieg.
Am nächsten Morgen schickte sie ihn wieder mit den Pferden auf die Weide.
Janko trieb die Pferde vor sich her und ließ sie nicht aus den Augen, aber auf der Weide verwandelten sie sich in Enten und schwammen bald mitten auf dem See.
Janko überlegte nicht lange, er stieß den silbernen Stab in die Erde und der Mondkönig kam herbei.
„Gleich werden wir die Enten haben“, sagte der Mondkönig, als Janko ihm alles erzählt hatte. Der Mondkönig warf ein Tuch über den See und alles Wasser sog sich in dieses Tuch hinein. Da saßen die Enten auf dem Trockenen. Janko lief zu ihnen, warf die halfter über sie und im gleichen Augenblick standen sie als Pferde da und rührten sich nicht mehr von ihm weg. Als es an der zeit war, trieb er sie heim.
Die Hexe begriff gar nicht, wie Janko das möglich gemacht hatte, aber sie tat, als wäre sie sehr zufrieden mit ihm.
Am dritten Tag übergab sie Janko wieder die Pferde. Er trieb sie vor sich her und war schon begierig, was heute kommen werde.
Kaum waren sie auf der Weide, da verwandelten sie sich in hohe, mächtige Fichtenbäume.
Janko zögerte nicht, er stieß den goldenen Stab in den Boden und der Sonnenkönig stand neben ihm.
„Ich werde dir helfen“, sprach der Sonnenkönig, „aber merke auf: wenn du heimkommst, wird die hexe dich fragen, welchen Lohn sie dir geben soll. Verlange jenes Pferd, das sich auf dem Misthaufen herumwälzt.“
Nach diesen Worten stieg der Sonnenkönig zum Himmel empor und von dort ließ er seine Strahlen auf die drei Bäume niederbrennen.
Die Hitze war so stark, daß die Nadeln von den Ästen fielen und die Rinde aufsprang. Das konnten die Bäume, die ja Pferde waren, nicht ertragen und sie wurden wieder zu Pferden und Janko warf rasch die Halfter über sie und führte sie heim.
Die Hexe zischte Gift, als sie ihn sah, aber sie ließ sich nichts anmerken und sagte:
„Gut hast du mir gedient, nun sage, welchen Lohn du willst.“
„Gib mir das Pferd, das sich dort auf dem Misthaufen herumwälzt.“
„Narr du, was soll dir das elende Roß? Auf seinem Fell klebt der Schmutz von sieben Jahren. Ich gebe dir ein prächtiges Pferd mit goldenem Sattel und Zaumzeug.“
„Für mich ist dieses Pferd gut genug, ich will keine anderes“, erwiderte Janko.
„So nimm es dir, aber bevor du weggehst, mußt du mir noch drei Stuten melken“, sagte die Hexe.
Sie ging, um die Pferde zu holen, da rief die magere Mähre vom Misthaufen:
„Janko, weise bist du beraten, aber nun höre: wenn du die Stuten gemolken hast, wird die Hexe dir befehlen, dich in der Milch zu baden, aber rufe mich, bevor du ins Bad steigst.“
Schon kam die Hexe mit den Stuten. Sie führte sie zu einem großen Bottich, da hinein mußte Janko die Pferde melken.
Janko tat, wie ihm geheißen. Als er fertig war, befahl ihm die Hexe, sich in der Milch zu baden.
„Gut“, sagte Janko, „aber die arme Mähre soll neben mir stehen.“
„Meinetwegen, bring sie her“, sagte die Hexe mit einem wütenden Gesicht.
„He, du Pferd auf dem Misthaufen, steh auf und komm zu mir!“ rief Janko.
Das Pferd erhob sich und kam auf seinen schlotternden Beinen langsam heran und lehnte sich an den Bottich.
Als Janko im Bottich saß, begann die Milch sofort zu kochen. Er wäre nicht lebend herausgekommen, wenn er nicht sein Pferd neben sich gehabt hätte. Das neigte den Kopf über den Bottich und mit einem einzigen Atemzug sog es alle Hitze in sich auf.
Die Milch wurde kühl, Janko konnte ruhig baden, und als er aus dem Bottich stieg, war er noch schöner als je zuvor.
Als die Hexe dies sah, dachte sie: Wenn er von diesem Bad so schön geworden ist, kann ja auch ich von dem Bade schön werden, und dann nehme ich mir den Burschen zum Gemahl. Und kaum gedacht, stieg sie in die Milch. Aber da neigte das Pferd den Kopf über den Bottich und atmete alle Hitze aus sich heraus und die Milch kochte sofort. Die Hexe hatte nicht mehr Zeit sich zu erheben, sie war gleich gekocht. Janko aber bestieg sein Pferd und ritt davon.
Als sie zu einem Bach kamen, blieb das Pferd stehen und sagte: „Wasche mich.“
Janko folgte sofort. Als es sauber war, staunte Janko über die Schönheit seines Pferdes. Das Fell glänzte wie Gold, und wenn es die Mähne warf, war es, als flögen glitzernde Pfeile um seinen Hals.
„Reinige auch den Sattel“, befahl das Flügelroß.
Janko gehorchte, und als er den Sattel gereinigt hatte, da war er von Gold und mit Diamanten ausgelegt.
„Jetzt sitz wieder auf und halte dich fest“, sagte das Roß, als es den Sattel wieder auf dem Rücken hatte.
Janko gehorchte. Das Pferd stieß von der Erde ab, daß die Funken stoben, und erhob sich in die Lüfte, und rascher als der Wind flog es nach dem Drachenhof.
Wieder stand die schöne Uliana beim Brunnen und wusch in siedendem Wasser ein Drachengewand. Da kam Janko auf seinem Flügelroß herangebraust.
„Meine schöne Geliebte, ich befreie dich!“ rief Janko.
Aber Uliana fürchtete sich.
„Ach, er wird uns wieder einholen und dich zerreißen. Eile von hinnen und laß mich hier in meinem Unglück.“
Aber Janko ergriff sie, riß sie zu sich in den Sattel, und im nächsten Augenblick hatte das Roß sie davongetragen.
Da wieherte das Drachenroß, daß es im Hof widerhallte, und stampfte mit den Hufen, daß die Erde erdröhnte.
„Was fehlt dir?“ schrie der Drache. „Hast du nicht Heu wie Gold und Wasser wie Wein?“
„Ich habe Heu wie Gold und ‚Wasser wie Wein, aber die schöne Uliana ist entführt worden“, antwortete das Roß.
„Ach, da schlafe ich erst eine Stunde, dann rauche ich eine Stunde, und dann eilen wir ihr nach“, meinte der Drache.
„Du darfst nicht schlafen und auch nicht rauchen, sonst entkommen sie uns, denn mein jüngerer Bruder trägt sie, und er ist rascher als ich“, antwortete das Pferd.
Da schwang sich der Drache auf sein Flügelroß, und das nahm alle Kräfte zusammen und setzte den Fliehenden nach. Es war ihnen schon recht nahe, da rief Jankos Pferd:
„Jage nicht, Bruder, den Bruder, nicht ein Flügelroß das andere, schüttle den Unhold ab und komm mit uns.“
„Recht hast du, Bruder“, sagte das Drachenroß und warf seinen Reiter in den Abgrund. Dann flog es neben seinen jüngeren Bruder und nahm die schöne Uliana in den Sattel.
Bruder neben Bruder trugen sie das Liebespaar durch die Luft.
Der alte König, Jankos Vater, hatte schon längst sein Schloß mit blauen Tüchern verhängen lassen, denn mit der Königin trauerte er um seinen Sohn, ohne Hoffnung, ihn noch einmal lebend wiederzusehen. Und nun war er da. Auf Flügelrossen waren sie gekommen, er und seine Braut. Freude über Freude war im Königreich.
Gleich wurden die blauen Tücher heruntergeholt und das Schloß mit roten Tüchern umspannt. Feste wurden gefeiert, und dann ernannte der König Janko zu seinem Nachfolger. Und jeder im Lande hatte, was er sich wünschte.

Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944

© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.

 
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