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DIE SECHS DRAHTBINDER UND DER TEUFEL
Sechs Brüder wanderten aus Böhmen heimwärts nach Rovno. Sie waren fröhlich, denn sie gingen doch heim, und jeder hatte einige Gulden im Sack. Schon kamen sie an der mährischen Grenze über den Berg Javorina, und als sie auf dem Gipfel waren, fiel so dichter Nebel ein, daß einer den anderen kaum mehr sehen konnte. Sie gingen aufs Geratewohl weiter, hielten einander an den Händen, aber allmählich erkannten sie, daß es unmöglich war, so vorwärts zu kommen. Sie setzten sich also nieder und warteten, daß der Nebel sich verziehe.
Als der Nebel wirklich fort war, sahen sie, daß sie sich verirrt hatten. Sie erschraken, denn es war schwer, hier wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Schon nahte die Nacht, sie hatten Hunger und in den Taschen nicht einen Brocken Brot.
Je mehr sie sich mühten, den richtigen Weg zu finden, desto mehr gingen sie in die Irre. Da rief einer aus: „Wenn wir nur irgendeine Hütte fänden, und wäre sie selbst vom Teufel bewohnt!“
Kaum hatte er das ausgesprochen, da glänzte in der Nähe ein Licht auf. Sie liefen darauf zu und standen bald vor einer einsamen Hütte. Sie klopften an, die Tür ging von selber auf.
Sie traten ein und ein schwarzer Mann kam ihnen entgegen. Der fragte sie nach ihrem Begehr. Sie baten um ein Nachtlager und um ein wenig Brot.
„Beides könnt ihr haben“, sagte der Schwarze, „aber nur dann, wenn ihr euch bereit erklärt, drei Rätsel zu lösen, die ich euch aufgeben werde.“
Die Drahtzieher waren sofort damit einverstanden.
„Könnt ihr sie aber nicht lösen, so ergeht es euch schlecht.“, sagte der Mann. „Und nun folgt mir.“
Es folgten ihm aber nur fünfe. Der Jüngste, den sie gern wegen seiner Einfalt zu verlachen pflegten, blieb draußen. Er hatte bemerkt, daß der schwarze Mann einen Pferdefuß hatte. Er kniete unter freiem Himmel nieder und bat den lieben Gott um Rat und Hilfe. Dann ging er den andern nach, setzte sich aber nicht zu ihnen an den Tisch, sondern verkroch sich hinter dem Ofen.
Seine Brüder ließen es sich gut gehen bei Speise und Trank, und als er nicht mittun wollte, lachten sie ihn aus.
Nun waren sie satt. Da setzte sich der Teufel zu ihnen und fragte:
„Aus welchem Holz ist dieser Tisch gemacht? Ratet, denn das ist erste Rätsel.“
„Aus Lindenholz“, sagte der erste, „aus Buchenholz“, der zweite, „aus Ahorn“, der dritte, „aus Eiche“, der vierte, „aus Esche“, der fünfte; aber der Teufel verneinte immer. Da meldete sich der Jüngste hinterm Ofen: „Aus Pferdehaut ist der Tisch gemacht.“
Der Teufel schaute sich nach ihm um und machte ein finsteres Gesicht. „Der hat’s erraten. Aber woraus sind die Tischbeine gemacht?“
Wieder rieten sie herum: aus Eisen, aus Blei, aus Kupfer; aber alles stimmte nicht. Schließlich sagte der Jüngste: „aus Pferdebeinen.“
„Erraten“, zischte der Teufel. „Aber woraus sind die Kelche, aus denen ihr den Wein getrunken habt?“
Alle hatten schon erkannt, daß sie es mit dem Teufel zu tun hatten. Sie zitterten vor Angst. „Aus Glas, aus Silber, aus Gold“, riefen sie, bis der Jüngste meinte: „Aus Pferdehufen.“
Kaum war das gesprochen, da wieherte der Teufel, daß die Hütte wackelte, und brüllte: „Wärst du nicht gewesen, hätt‘ ich die andern fünf zerreißen können“; dann fuhr er aus dem Rauchfang hinaus, nur der Gestank blieb zurück.
So, wie wenn der Wind durch ein Ofenloch bläst, so pfiff es draußen über den Berg. Den Drahtbindern war schrecklich angst.
Als es wieder ruhig geworden war, dankten die fünf ihrem jüngsten Bruder und wollten wissen, wie er die Rätsel habe erraten können. Der Jung antwortete: „Der liebe Gott hat mir geholfen.“
Noch vor dem Morgenrot verließen sie die Hütte und kamen glücklich nach Hause. Keinem aber kam sein Leben lang der Name des Teufels mehr über die Lippen.
Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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