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FRAU KATZE
Ein Reicher hatte drei Söhne. Die zwei älteren waren recht tüchtig, der jüngste aber redete nicht viel, darum hielt man ihn für dumm. Der alte Vater dachte einmal für sich, daß es gut wäre, sein Hab und Gut bei seinen Lebzeiten zu verteilen, damit nach seinem Tode die Söhne nicht darum in sündhaften Streit gerieten. Noch an demselben Tag sprach er mit ihnen darüber, was er sich zurechtgelegt hatte:
„Du bekommst das, du dieses und du jenes; so wird keiner von euch zu kurz kommen.“ Den beiden älteren war aber diese Teilung nicht recht; sie hätten lieber gesehen, wenn jeder von ihnen die Hälfte des Kranzkuchens bekommen hätte und dem jüngsten das leere Loch in der Mitte geblieben wäre. So begehrten sie auf und begannen auf den Vater einzureden. Der Vater merkte sogleich, wo sie hinauswollten, und machte ihnen einen Strich durch die Rechnung.
„Gut“, sagte er, „wenn ihr mit meiner Teilung nicht zufrieden seid, bleibt alles, wie es bis jetzt war, und ihr geht in die Welt hinaus. Nach einem Jahr kommt ihr zurück, und wer dann von euch das beste Kleid anhat, der bekommt mein ganzes Hab und Gut.“
Damit waren sie einverstanden. Sie brachen gemeinsam auf und wollten bei der nächsten Abzweigung jeder seinen eigenen Weg gehen. Bald teilte sich die Straße in zwei, und die älteren Brüder wählten diese bequemen Wege, den jüngeren aber wiesen sie auf einen Seitenpfad, der in die Berge führte. Die Wege der älteren blieben gut und eben, der des jüngeren dagegen wurde immer schwieriger und verlor sich in eine unwegsame Wildnis mit viel Dorngebüsch und Feldgestein.
Der älteste kam in eine Stadt und nahm dort Dienst beim König, der mittlere traf auf ein Kastell, wo er Arbeit fand. Der jüngste hatte die beschwerlichste Wanderung, bis er endlich auf eine große Wiese kam, wo er eine schwarze Katze sah. Nun, dachte er, da kann auch eine menschliche Behausung nicht ferne sein. Die Katze kam auf ihn zu und begann ihn zu umschmeicheln. Dann lief sie einige Schritte voraus, blieb stehen und schaute sich um, als wollte sie ihn zum Mitkommen bewegen. Er ging alsbald hinter ihr her und kam vor ein Schloß.
Die Katze lief in den Schloßhof und er folgte ihr. Sie kamen in ein Vorhaus, von da in ein Zimmer, ins zweite, ins dritte, überall war es grabesstill. So ging er durch das ganze Schloß, und nirgends traf er auf eine lebende Seele. Im letzten Zimmer, das er betrat, fand er einen Tisch, der für eine Person gedeckt war. Es standen warme Speisen und ein Glas Wein darauf. Er überlegte nicht lange, nahm Platz und ließ es sich schmecken.
Als er fertig war, öffnete sich eine Tür und die Katze sprang auf den Tisch und begann zu sprechen: „Willkommen bei mir, willkommen!“ Der Bursch war erstaunt, von der Katze menschliche Worte zu vernehmen. Schon sprach sie weiter: „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich weiß sehr wohl, was bei euch zu Hause vorgefallen ist und was du suchst. Ich bin die Herrin dieses Schlosses und bei mir wirst du es gut haben. An diesem Tisch kannst du dich immer satt essen und am Ende des Jahres bekommst du ein prächtiges Kleid. Aber die zwölf Monate lang mußt du brav befolgen, was ich von dir verlange. Jeden Morgen werde ich dich vor Sonnenaufgang wecken. Du nimmst dann ein hölzernes Messer und gehst ins Gebirge, dort schneidest du eine Rute zurecht und bringst sie her und wirst mich dann solange herumjagen und schlagen, bis ich auf die Türklinke hinaufspringe. Jeden Tag wird es das gleiche sein – das ist alles, was ich von dir verlange!“
„Aber meine liebe Frau Katze, das könnte ich doch vor meinem Gewissen nicht verantworten, Euch zu schlagen, da Ihr doch so gut zu mir seid.“
„Nun, wenn du nicht willst, kannst du es auch bleiben lassen; aber dann wirst du am Schluß kein schönes Gewand bekommen.“
Ob er wollte oder nicht, er sah sich gezwungen, der Katze zu gehorchen. Kaum begann es zu dämmern, so weckte ihn ein Miauen; er sprang aus dem Bett, nahm das hölzerne Messer, ging in die Berge und schnitt eine Rute. Zurückgekehrt, jagte er die Katze mit der Rute vor sich her und schlug zu, wo er nur konnte. Sie sprang wie wild im Zimmer umher, laut jammernd, und ihm wurde der Arm so müde, daß er ihn kaum mehr heben konnte. Da rief sie ihm zu: „Hast du vergessen, was du versprochen hast? Schlag zu, schlag zu!“ Ob gern oder ungern, er mußte weiter schlagen. Aber wenn sie dann auf die Türklinke sprang, war es genug. So ging es jeden Morgen.
Da sagte die Katze eines Tages zu ihm: „Deine Brüder wandern schon heimwärts!“
„Wahrhaftig, sind wir schon so weit?“ Das Jahr war ihm rasch vergangen.
„Und jetzt“, sprach die Katze weiter, „geh in den mittleren Keller, dort hängt ein goldenes Gewand. Nimm es dir und geh mit Gott. Aber du mußt das goldene Kleid zu unterst anziehen und dein gewöhnliches ziehe darüber; so kehre nach Hause zurück und erst im richtigen Augenblick zeige dich im Goldgewand.“ Darauf zog er sich nach ihrer Weisung an, sie dankte ihm nochmals für seinen Dienst, und er verließ das Katzenschloß.
An der Wegkreuzung kam er mit den zwei Brüdern zusammen, die dort rastend seiner gewartet hatten. Jeder trug ein kostbares Gewand. Als sie sein altgewohntes Gewand erblickten, lachten sie ihn schadenfroh aus und gaben ihm allerlei lieblose Namen. Er aber entgegnete nichts darauf.
So kamen sie ins Vaterhaus. Dem Vater gefielen die Kleider der älteren Söhne. Aber dem jüngsten gab er eine dürftige Wandertasche und sagte ihm, er solle ihm nicht unter die Augen treten. Der junge Bursch verließ Wortlos das Zimmer, ging in den Hof und dort schritt er in seinem strahlenden Goldgewand wie ein wahrer Herr auf und ab. Der Vater schaute zum Fenster hinaus und erblickte zu seiner Verwunderung den Sohn in dem prächtigen Kleid. Erst wollte er seinen Augen nicht trauen, aber dann wandte er sich an die beiden anderen Söhne: „Schaut, schaut, was euer Bruder für ein Kleid anhat!“ die konnten sich vor Staunen und Enttäuschung kaum fassen und fühlten sich sehr beschämt, weil das Kleid des Jüngsten doch das schönste war und ihm jetzt wohl alles Hab und Gut zufallen würde.
Der Vater aber rief alle drei nochmals zusammen und sagte: „Diese Bewährung genügt mir noch nicht. Ihr müßt noch für ein Jahr in die Welt ziehen, und welcher auf dem schönsten Pferd zurückkommt, dem wird alles gehören, was ich habe.“
Jeder ging wieder seines Weges. Den jüngsten erwartete schon die schwarze Katze auf der großen Wiese, und wieder ging er mit ihr ins Schloß, wo ihn wie vor einem Jahr der gedeckte Tisch erwartete. Nachdem die Katze ihn willkommen geheißen hatte, ließ sie sich von ihm erzählen, wie es ihm ergangen war, und schließlich nahm sie ihn abermals in ihren Dienst mit den gleichen Pflichten wie im verflossenen Jahr.
Nach Ablauf des Jahres sagte Frau Katze zu ihm: „Deine Brüder sind schon auf dem Heimweg und jeder führt sein Pferd.“
Wieder war der Junge darüber verwundert, wie rasch das Jahr verronnen war. Die Katze sprach weiter: „Geh in den Stall, dort wirst du viele Pferde sehen. Aber suche nicht das schönste aus. In der äußersten Ecke findest du ein ganz unscheinbares Pferdchen, das mußt du nehmen! Hab keine Angst, weil es so ärmlich aussieht. Sobald du ihm den Hals klopfen wirst, kannst du erkennen, was für ein herrliches Pferd du hast.“
Wieder dankte ihm Frau Katze für seine Dienste und er ritt davon. Das Pferd setzte vorsichtig einen Fuß vor den andern, als vermöchte es keinen rascheren Schritt zu tun. Da klopfte ihm der Reiter den Hals und flugs wuchs ihm eine goldene Mähne und es flog dahin wie ein feuriges Schlachtroß im Sturm. Als sie sich der Wegkreuzung näherten, verwandelte es sich wieder in das dürftige Pferdchen, das keinen raschen Schritt wagte. Die Brüder konnten bei diesem Anblick nicht genug lachen und verspotteten Roß und Reiter.
Als sie zu Hause ankamen, gefielen dem Vater die stattlichen Pferde der zwei älteren Söhne und er lobte sie; aber für den jüngsten hatte er kein freundliches Willkommen. Die drei Brüder stellten die Pferde in den Stall und kamen zum Mittagstisch zurück. Nach dem Essen schlüpfte der jüngste unbemerkt aus dem Zimmer, zog sein goldenes Gewand an, führte dann sein Pferd aus dem Stall, stieg auf und klopfte ihm den Hals. Gleich stampfte das goldgemähnte Roß den Boden und trug in stolzer Gangart seinen Reiter kreuz und quer durch den Hof. Der Vater wurde darauf aufmerksam und rief die älteren Brüder ans Fenster: „Schauet euch nur an, was für ein prächtiges Pferd euer Bruder reitet!“ Sie staunten und grämten sich, aber auch sie mußten das Pferd loben: „Wahrlich, es ist ein schönes Pferd, aber jedes von den unsern wiegt an Tüchtigkeit zehn solche eitle Rosse auf.“
„Mag sein“, sagte darauf der Vater, „das soll sich gleich erweisen. Sattelt auch ihr eure Pferde und springt mit ihnen über das Hoftor. Vielleicht kann es jenes Pferd den euren nicht gleichtun.“ Sie befolgten gleich des Vaters Wunsch. Aber der älteste kam nicht drüber; sein Pferd hatte sich beim Sprung ein Bein gebrochen. Auch dem zweiten mißlang der Sprung; sein Pferd brach sich das Genick. Da sprengte der jüngste auf seinem goldmähnigen Tier ans Tor heran und es trug ihn wie im Vogelflug hinüber und bald darauf wieder in den Hof zurück. Die Brüder standen dumm da und Scham und Enttäuschung brannten ihnen tiefe Wunden, denn jetzt war es klar, wessen Pferd das schönste und tüchtigste war und wer des Vaters Besitz erhalten sollte.
Aber dem Vater genügte auch diese Bewährung noch nicht. Er schickte die Söhne noch ein drittes Mal in die Welt hinaus, und welcher von ihnen nach Ablauf eines Jahres die schönste Braut nach Hause brächte, der wäre dann der endgültige Sieger.
Sie gingen ihrer Wege. Die schwarze Katze erwartete den Jüngling, und nach dem Willkommgruß sagte sie gleich:
„Ich weiß sehr wohl, welche Aufgabe euer Vater euch gestellt hat; aber diene mir auch dieses Jahr so gut wie bisher, dann kannst du sicher sein, daß du dich deiner Braut nicht zu schämen haben wirst.“
Nach Ablauf des dritten Jahres weckte ihn die Katze wie immer schon vor Sonnenaufgang und sprach zu ihm: „Steh auf, deine Brüder sind schon auf dem Weg und führen ihre Bräute mit; es ist an der Zeit, daß auch du zu deiner Braut kommst. Heute brauchst du mich nicht mehr zu schlagen, aber du mußt dieses tun: du nimmst diese hölzerne Axt, gehst in die Berge und schlägst soviel Holz damit, wie man für einen stattlichen Scheiterhaufen benötigt. Den schichtest du im Hof auf und schneidest dir dann noch so viele Pfeile zurecht, wie du in beiden Armen zu tragen vermagst. Wenn du mit alldem fertig bist, kommst du es mir melden.“
Nach einigen Stunden war er so weit. „Gut“, sagte die Katze, „jetzt nimm hier dieses Schwert und schlage mich in drei Teile. Die lege zu oberst auf den Holzstoß und zünde ihn unten an. Sobald das Holz niedergebrannt ist, werden aus der Glut verschiedene bösartige Tiere auftauchen und dich überfallen. Die mußt du mit deinen Pfeilen töten; ziele nur ja recht gut! Zum Schluß wird aus der Asche eine Kröte hervorkriechen und in ihrem Maul wird sie Schlüssel halten. Auf diese Kröte mußt du mit den restlichen Pfeilen losschlagen, bis sie dir den Schlüssel läßt. Dann wird sie wie die getroffenen Bestien in Rauch aufgehen. Mit den Schlüsseln mußt du das Zimmer neben dem Turmeingang aufsperren. Jetzt nimm aber rasch das Schwert und tu, was ich dir gesagt habe!“
Dem jungen Burschen begannen die Hände zu zittern. „Wie könnte ich Euch solches antun?“ Aber die Katze rief: „Schlag zu, denn sonst wirst du keine Braut bekommen!“
Was konnte er tun? Er faßte das Schwert und zerhieb die Katze in drei Stücke, dann eilte er in den Wald, die weitere Arbeit zu verrichten, und als der Holzstoß aufgeschichtet war, warf er das blutende Katzenfleisch oben drauf und legte unten das Feuer an. Als der Holzhaufen niedergebrannt war, versuchte ihn aus der Glut eine Bestie nach der anderen anzufallen, er aber schoß jede mit wohlgezieltem Pfeil ab. Schließlich kroch aus dem verglimmenden Aschenhaufen eine Kröte mit Schlüsseln im Maul hervor, und auf die begann er mit der letzten Handvoll Pfeil einzustechen, bis sie die Schlüssel losließ. Dann eilte er zu der verschlossenen Tür neben dem Turmeingang. Als das Schloß knarrend nachgab und die Tür aufging, erblickte er inmitten des Zimmers ein schönes Mädchen, das freudig auf ihn zukam: „Ach, ich danke dir, danke dir vieltausendmal, daß du mich befreit hast!“
Darauf erzählte sie ihm von all dem Ungemach, das sie ausgestanden hätte. Ihr Vater war der König dieses Landes gewesen, und als er starb, blieb sie allein zurück. Da kam eine mächtige Hexe zu ihr und warb um sie für ihren Sohn. Und weil sie ihr den Wunsch nicht erfüllen wollte, sei sie von ihr in eine Katze verzaubert worden. Jetzt aber habe sie nichts mehr zu befürchten, denn die Hexe war jene Kröte, die er mit den Pfeilen getötet hatte. Und wenn sie selbst ihm gefalle, wolle sie ihn gerne zum Bräutigam.
Der junge Bursche stimmte freudig zu. Die Kunde von der Befreiung der Königstochter durcheilte rasch das Land und viel beglücktes Volk kam herbei, ihrem Erretter zu danken.
Bald darauf wurde Hochzeit gefeiert, und vom Hochzeitstisch weg fuhren sie in einem prächtigen Wagen, dem vier feurige Pferde vorgespannt waren, zum Vater. Die älteren Brüder waren schon mit ihren Bräuten zur Stelle, als aber die Königstochter, geführt vom jüngsten, herankam, überstrahlte sie mit ihrer Schönheit weitaus ihre künftigen Schwägerinnen.
Der Vater umarmte überglücklich seinen Sohn und umarmte auch die dritte Braut.
„Mein Sohn“, sagte er, „du hast dich in den drei Prüfungen am besten bewährt; dir übergebe ich mein ganzes Hab und Gut.“
Aber der jüngste Sohn dankte ihm und sagte: „Ich habe, Gott sei gelobt, an allem genug, und was du mir übergeben willst, überlasse ich gern meinen Brüdern. Sie mögen sich hier in Frieden dieses Besitzes freuen. Wir aber kehren zurück in unser Land und bitten dich, fürderhin bei uns zu leben!“
Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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