KUBOS ABENTEUER

Er war unter seinen Schafen aufgewachsen, dieser Kubo. Den ganzen Sommer verbrachte er im Gebirge auf hochgelegenen Äckern und Weiden und kam nie in das Dorf hinunter. Vom Leben im Tale wußte er wenig.
Einmal sollte er die Felder düngen. Sein Vater sagte ihm, er möge bei jenem Felde anfangen, das am Waldrand lag. Kubo schaffte die geflochtene Schafhürde auf dieses Feld und trieb die Schafe hinein, damit sie schön dicht ihren Dünger setzten; und als ein Stück auf diese Art gesegnet war, schob er die Hürde wieder weiter, und nach einigen Tagen war das Feld so gut mit Schafmist überdeckt, daß darauf das Korn mindestens doppelt so hoch geraten mußte wie beim Nachbar. Der Vater kam und rang die Hände: „Kubo, was hast du angestellt?“
„Was denn? Ich habe gedüngt!“
„Gedüngt hast du, aber nicht unser Feld, sondern das Feld des Nachbarn.“
„Ei, wie wäre das möglich?“
„Es ist nun einmal so; und von deinen dummen Fragen wird unser Acker nicht fetter werden!“
„Ich hätte geschworen, daß es unser Feld ist. Aber das tut nichts, Vater. Für jedes Übel gibt es eine Abhilfe, und ich werde Abhilfe schaffen!“
Er rief den kleinen Jungen, der ihm sonst beim Hüten auf der Weide half, und die zwei faßten das frisch gedüngte Feld des Nachbarn, der eine bei den oberen zwei Zipfeln, der andere bei den unteren wie ein Laken; und sie schütteten den ganzen fetten Dünger auf das eigene Feld. Der Vater war zufrieden und Kubo ging in seine Hirtenhütte zurück.
In der Türe blieb er stehen und schaute sich noch einmal um – was war denn das? Auf dem Felde wuchs Flachs, und er wuchs so rasch, wie man es noch nie erlebt hat. Kubo lief zurück, kletterte auf einen der Flachshalme, und wie dieser Halm mit den andern immer rascher emporwuchs, wurde Kubo in kurzer Zeit bis in den Himmel hinaufgehoben. Dort klettere er von seinem Flachshalm bis zur Himmelstür und trat ein. Er freute sich, der gute Kubo, daß er nun auf den himmlischen Wiesen Abrahams werde Schafe weiden können. Aber man gab ihm keine Schafe zu hüten, und etwas anderes hatte er nicht gelernt. Es hätte ihm sehr gut gefallen, da oben im Himmel, aber so ganz ohne Arbeit begann er sich zu langweilen. Er erinnerte sich an seine Schafe, und am liebsten wäre er gleich wieder zu ihnen hinunter auf die Erde gegangen.
Hinauf war er leicht gekommen, aber wie sollte er nun zurück? Unten hatte es mittlerweile ein Gewitter gegeben und der ganze Flachs hatte sich zur Erde niedergebogen. Sollte er hinunterspringen? Das war ihm doch ein bißchen zu tief. Wenn er Flügel hätte! Aber es wuchsen ihm keine. Da suchte er nach einem Seiler, damit der ihm ein Seil schaffe, auf dem man sich hinunterlassen könnte. Aber es gab keinen einzigen Seiler im Himmel. Es gab auch nichts, woraus er sich hätte selbst ein Seil drehen können. Er ging bis zur Himmelstür und kratzte sich verlegen hinterm Ohr, denn er wußte wahrhaftig nicht, wie er es anstellen sollte, um auf die Erde zu kommen.
Da erblickte er hinter der Tür ein großes Faß; das war bis zum Rand angefüllt mit trockenem Flachs. Aus diesem Flachs drehte er sich ein Seil, das zwar bis auf die Erde reichte, aber zu dünn war.
Er fürchtete daher, daß es reißen könnte; so nahm er es doppelt, und dann ließ er sich flugs daran hinunter.
Er kam zum Ende des Seiles, und da sah er, daß es noch recht weit bis zur Erde war. Kurz entschlossen empfahl er seine Seele Gott, drückte die Augen zu und sprang hinunter. Er flog wie ein Engel und fiel wie ein Teufel – ganz tief hatte er sich in die Erde gebohrt.
Was war da zu tun? Er lief um die Ecke, holte eine Schaufel und grub sich aus. Als er endlich frei war, atmete er auf wie einer, dem eine Zentnerlast vom Buckel gefallen ist.
Kurze Zeit darauf wurde Rubo krank. Die alten Weiber versuchten alle Kräuter an ihm, aber es war ihm nicht zu helfen. In der Nacht träumte er, daß er sich am Bach einen großen Topf voller Fische und Krebse fangen müsse; wenn er die äße, würde er gesund werden. Es war gerade die Nacht vor dem Johannistag. Am Feiertag darauf nahm er den großen Topf und ging zum Bach. Der war aber zugefroren und wie aus Glas. Er schlug mit dem Topf auf das Eis, um ein Loch durchzuschlagen, aber der Topf ging in Stücke. Da wurde Rubo wütend und packte seinen eigenen Kopf, nahm ihn von den Schultern und hieb mit ihm auf das Eis los. Das Eis gab nach und er konnte zum Wasser.
Aber wo hinein sollte er jetzt die Fische und Krebse schütten, da der Topf zerbrochen war? Er lief nach Hause um einen anderen Topf. Unterwegs kam er an einer Scheune vorüber und auf der Tenne drosch der Bauer das Getreide. Wie der Bauer Rubo erblickte, lachte er und rief ihm zu: „Du Narr, wo hast du deinen Kopf gelassen?“
Da erinnerte sich Rubo, daß er keinen Kopf auf dem Halse sitzen hatte, und kehrte rasch zum Eis zurück. Das Eis war inzwischen in der heißen Sonne geschmolzen, aber den Kopf fand er wieder; indes hatten die Raben den Verstand herausgepickt – wenn jemals einer drin gewesen ist!

Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944

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