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JANKO UND DIE PRINZESSIN
Zwei Burschen waren auf der Wanderschaft. Sie gingen über Berg und Tal, auf Wegen und Stegen wie es ihnen gerade einfiel. Die Sonne brannte heiß, und Petka mußte immer wieder einen Schluck aus seiner Kürbisflasche tun, sich zu erfrischen, dazu aß er dann wohl auch ein Stück Brot und Käse, und so gestärkt schritt er rüstig aus. Jankos Ranzen aber war leer. Er hatte den letzen Tropfen Wasser und die letzte Krume Brote einem alten Bettler gegeben, der gar jämmerlich darum gebeten hatte, und jetzt plagten ihn Hunger und Durst so sehr, daß er kaum mehr einen Fuß vor den andern brachte. Er taumelte bald nach rechts, bald nach links, schließlich stolperte er und blieb liegen. „Gib mir doch einen Trunk aus deiner Flasche und einen bissen von deinem Brot“, bat er den Kameraden. Aber der hatte ein hartes Herz und kein Ohr für die Bitte. Er ging seines Weges, ohne sich um Janko zu kümmern.
Janko mußte geschlafen haben, denn als er erwachte, war es ringsum finster wie im Grabe. Da hörte er über seinem Kopfe ein klägliches Piepsen. „Hilfe, Hilfe, man will mich fressen“, jammerte es aus der Dunkelheit.
Janko sprang auf, so plötzlich und jäh, daß er mit dem Kopf gegen eine Eule stieß, die sich eben mit einer kleinen Maus davonmachen wollte und nun erschreckt die Beute losließ. Die Maus war neben Janko auf die Erde gefallen, und da saß sie nun, und Janko konnte hören, wie ihr die Zähne vor Angst zusammenschlugen. Er bückte sich, tastete nach der Furchtsamen, nahm sie in seine hohle Hand und redete ihr gut zu. Und als der Morgen dämmerte, setzte er sie behutsam auf den Waldboden nieder.
„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte die Maus. „Dafür werde ich mich dir nochmal dankbar erweisen.“ Und davon war sie.
„Lieber wäre mit etwas Eßbares“, seufzte Janko. Da fiel sein Blick auf das Gebüsch, in dem die Maus verschwunden war, und siehe, es war ein Haselnußstrauch. Erfreut machte er sich über die Früchte her, aß, trank aus einer klaren Quelle und setzte gestärkt seinen Weg fort.
Er war noch nicht weit gekommen, da hörte er ein klägliches Summen. Eine Biene hatte sich in einem Spinnennetz verfangen und konnte sich nicht bewegen. Janko löste sie behutsam aus den Maschen und setzte die Befreite auf eine nahe Blume, damit sie sich erhole.
„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte die Biene. „Dafür werde ich mich noch einmal dankbar erweisen“, und weg war sie.
Janko kam in eine große Stadt. „Gebt mir Arbeit“, bat er jeden, den er traf. Aber immer wieder hieß es: „Bei uns gibt es viel Not und keine Arbeit. Unsere Felder werden von Mäusen verwüstet, unsere Häuser von Räuberhorden zerstört, und unseres Königs einziges Kind liegt seit vielen Monaten krank darnieder. Niemand kann ihm helfen, niemand hilft uns.“ „Dort kommt der Oberaufseher des Königs“, sagte einer zu Janko, „wende dich an ihn, vielleicht hat er Arbeit für dich.“
Wie wunderte sich Janko: Der Oberaufseher des Königs war kein anderer als der alte Bettler, den Janko tags zuvor mit seiner letzten Wegzehrung gelabt hatte. Bescheiden trug ihm Janko seine Bitte vor, und der alte Mann führte ihn voll Freundlichkeit ins Schloß und nahm ihn als Gärtner in seinen Sold. In dem Schloß hatte auch Petka Arbeit gefunden. Stallbursche war er; und indes Janko sich den ganzen Tag in dem herrlichen Garten ergehen durfte und nichts anderes zu tun hatte, als Blumen zu gießen und Früchte zu pflücken, mußte Petka von früh bis abends den finsteren Pferdestall vom Unrat säubern. Darüber wurde sein Groll immer größer, und er sann nach, wie er Janko schaden könne.
Eines Tages, als der König auf die Jagd zog, stellte sich ihm Petka in den Weg. „Hochherrlicher König, Euer neuer Gärtner ist ein arger Prahlhans. Er sagt, er sei imstande, in einer Nacht Euer Land von der Mäuseplage zu befreien.“ So sprach Petka zu seinem Herrn.
„Das wollen wir sehen“, sagte der König und ließ Janko rufen. „Wenn du in der heutigen Nacht nicht mein ganzes Reich von den Mäusen befreist, jage ich dich davon“, sprach er zu dem erschreckten Burschen.
Janko ging in die Scheune und weinte bitterlich. Da hörte er ein feines Piepsen. „Weine nicht, Janko“,, sagte die Maus. „Wohl wird es mir schwer, dieses fette Land zu verlassen, aber da ich dir versprach zu helfen, wenn es not tut, werde ich mein Versprechen halten.“ Sprach’s und verschwand. Janko glaubte geträumt zu haben.
Aber in der Nacht, da regte und rührte es sich – aus allen Ecken, aus allen Winkeln, aus allen Löchern, aus allen Ritzen kamen Mäuse hervor, große und kleine, alte und junge, dicke und dünne, mehr, immer mehr, in endlosen Scharen zogen sie dahin, voran die Mäusekönigin, die Janko aus den Krallen der Eule befreit hatte. Fünf, sechs, neun, zehn Stunden dauerte der Abzug, und als der Morgen graute, war im ganzen Land keine Maus mehr zu erblicken.
Wie war der Jubel groß! Man wußte nicht ein noch aus vor Freude, aber am frohesten war Janko.
Nach einigen Tagen stellte sich Petka dem König wieder in den Weg: „Hochherrlicher König, Euer Janko muß entweder ein großer Held oder ein arger Lügner sein. Er behauptet, er könne in einer einzigen Nacht alle Räuber aus dem Lande vertreiben.“
Der König ließ Janko rufen. „Ich lasse dich in den Kerker werfen“, sagte er zu ihm, „wenn du`s nicht wahr machst, was du behauptet hast.“
Janko ging in den Park und weinte. Da hörte er ein feines Summen. „Fürchte dich nicht, Janko. Ich will dir helfen, so wie du mir geholfen hast.“ Die Biene blies in ein Horn, da kamen alle Bienen der Welt herbei. Schwarz war der Himmel, es summte und dröhnte, als wolle ein Gewitter die Erde vernichten, und die Menschen verkrochen sich ängstlich in ihre Häuser. Die Bienen aber schärften ihre Stachel an rauhen Steinen und summ – summ –summ ging es gegen die Räuber. Zu Tausenden und aber Tausenden fielen sie über die Bösewichter her, die glaubten, alle Teufel der Hölle wären losgelassen; und sie liefen, liefen, was sie konnten, aus dem Land hinaus, und ließen sich nicht wieder blicken.
Nun war Eitel Glück und Freude im Reich, man pries Janko, den Retter, und alle liebten ihn; nur Petka war voll Grimm, daß sein Plan mißglückt war. Statt Janko zu schaden, hatte er ihm nur genützt, denn auch der König erwies Janko alle Ehren.
Einige Zeit später trat Petko wieder vor den König hin. „Hochherrlicher König“, so sagte er, „heute hat Janko behauptet, er könne Eure lahme Tochter wieder gehend machen.“
Der König ließ Janko rufen: „hast du wahr gesprochen, kannst du meine arme Tochter wirklich gehend machen, so bekommst du sie zur Frau. Hast du aber gelogen, lasse ich dir den Kopf abschlagen“
Und ehe Janko wußte wie ihm geschah, wurde er gefaßt und von zwei Soldaten in das Zimmer und zum Bett der kranken Königstochter geführt.
Janko hatte nie im Leben ein schöneres Menschenkind gesehen, und er hätte nie geglaubt, daß so viel Schönheit auf Erden möglich sei. Ihr Antlitz war weiß wie Alabaster, ihr Haar goldener als die Sonne, ihre Augen leuchtender und sanfter als der Mond, ihr Mund röter als Blut, ihre Stimme lieblicher als Vogelgesang an einem Frühlingstag. Demütig ließ sich Janko auf die Knie nieder. „Prinzessin, ich muß sterben, wenn du dich heute nicht von deinem Lager erhebst und auf deinen beiden Füßen dahergehst, aber ich sterbe gern weil ich dich sehen durfte.“
Die Jungfrau sah ihn an, und es ging wie Feuer durch ihren Leib. Sie glaubte vergehen zu müssen vor Weh um diesen schönen Jüngling, der ihretwegen sterben sollte. Sie fühlte Kälte und Hitze durch ihren Körper gleiten, sie meinte in einem glühenden Strom zu verbrennen, in Eiseskälte erstarren zu müssen. Voll Bangen schlang sie ihre Arme um Jankos Hals. Der erhob sich erschreckt und tat einen Schritt nach rückwärts, so jäh und unvermittelt, daß er die Prinzessin mit sich riß. Da stand sie nun in ihrem weißen seidenen langen Gewand, stand auf ihren eigenen Füßen, die sie so lange nicht hatten tragen wollen, und jetzt ging sie mit einem Jubellaut dem König, ihrem Vater, entgegen, der eben ins Zimmer trat. Ein Wunder war geschehen, sie ging wirklich und wahrhaftig, sie konnte gehen, sie war gesund.
Der König hielt sein Versprechen. Janko bekam die schönste aller Prinzessinnen zum Ehegemahl, und er lebte mit seiner lieblichen Frau glücklich bis in seine alten Tage. Und damit auch der Petka zufrieden wäre, hatte ihn Janko zum Obergärtner bestellt.
Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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