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DIE PRINZESSIN, DIE IHRE NASE ZU HOCH TRUG
Es lebte einmal eine Königstochter, die war schön, ja wunderschön, aber leider auch sehr hochnäsig. Sie war schon reif zum Heiraten, und der König, ihr Vater, hätte es gern gesehen, wenn sie einen der vielen Prinzen, die um sie warben, zum Manne genommen hätte.
Aber es war ihr keiner recht. Wie von einem hohen Roß schaute sie auf alle hinunter.
Eines Tages kamen Boten aus einem fernen Königreich. Die warben um die Prinzessin für ihren jungen König. Sie brachten sein Bildnis mit. Dem König gefiel der Prinz auf dem Bild, aber die Prinzessin lachte laut auf: „Den heirate ich bestimmt nicht, er hat eine viel zu große Nase. Er ist nicht wert, mir die Riemen meines Schuhes zu binden.“
Dann drehte sie den Boten den Rücken und rauschte zur Tür hinaus. Gekränkt kehrten die Boten zu ihrem Herrn zurück.
Als sie dem König berichteten, wie es ihnen ergangen war, fühlte er sich sehr beleidigt. Warte, dachte er, wenn dir meine große Nase nicht gefällt, werde ich dich an deiner kleinen herumführen. Er beschied seinen besten Goldarbeiter in sein Schloß und ließ ihn zwei kunstvolle Spindeln anfertigen. Die eine war aus Silber, die andere aus Gold. Dann zog der junge König das Kleid eines Gauklers an, steckte die zwei Spindeln zu sich und machte sich auf den Weg in das Reich der hochnäsigen Prinzessin.
Als er in ihr Schloß kam, bat er den König, ihm und der Prinzessin seine Kunst vorführen zu dürfen. Es wurde ihm erlaubt.
Der junge König stellte also die silberne Spindel auf und begann zarte Fäden zu spinnen. Der ganze Hof schaute ihm bewundernd zu. Eine so kostbare Spindel und eine so schöne Arbeit hatte noch niemand gesehen.
Als der Gaukler seine Vorführung beendet hatte, schickte die Prinzessin ihre Magd zu ihm und ließ ihn nach dem Preis der Spindel fragen.
„Für Geld ist sie nicht zu haben“, sagte der Gaukler. Aber wenn deine Herrin erlaubt, daß ich heute in deinem Zimmer schlafe, schenke ich ihr die Spindel.“
Die Dienerin überbrachte diese Nachricht ihrer Herrin.
„Freilich erlaube ich es“, sagte die Prinzessin. Aber die Dienerin wollte nicht. Erst nach langem Zureden willigte sie ein, den Gaukler in ihre Kammer zu lassen.
Der junge König schlief also in dieser Nacht in der Magdkammer und die Prinzessin bekam die silberne Spindel. Als die Dienerin die Spindel der Herrin am nächsten Morgen übergeben hatte, fragte die Prinzessin gleich, wie sich der Gaukler betragen habe.
„Anständig, wie es Gott befohlen hat“, antwortete die Magd und der Prinzessin gefiel das sehr.
Am Nachmittag gab der junge König wieder eine Vorstellung. Diesmal hatte er die goldene Spindel mitgebracht und wieder bewunderte der ganze Hof die Pracht der Spindel und die Feinheit des Gespinstes.
Nach der Vorführung kam die Dienerin wieder zu dem Gaukler. Die Prinzessin wolle die goldene Spindel kaufen, sagte sie.
„Für Geld ist sie nicht zu haben; aber ich schenke sie der Prinzessin, wenn ich diese Nacht in ihrem Zimmer schlafen darf.“
Als die Dienerin diese Botschaft überbrachte, war die Prinzessin sehr zornig. Aber ihr Wunsch nach der goldenen Spindel war riesengroß, und die Prinzessin überlegte: In der Kammer der Magd hat er sich betragen, wie Gott es befohlen hat; in meinem Gemach wird es nicht anders sein. Und so erlaubte sie ihm, daß er in ihr Zimmer komme, aber niemand dürfe ihn sehen.
Als im Schloß alles still und finster war, kam der junge König in das Schlafgemach der Prinzessin. Zuerst überreichte er ihr die goldene Spindel und küßte ihr die Hand. Dann küßte er sie auf die Augen und schließlich umfing er sie ganz.
Am Morgen, noch bevor die Dämmerung anbrach, erhob sich der Gaukler und schickte sich zum Gehen an. Die Prinzessin wollte ihn aber nicht fortlassen.
„Bleib oder ich gehe mit dir“, sagte sie. Sie hatte Angst vor ihrem Vater und sie schämte sich vor ihrer Dienerin.
„Ich nehme dich gerne mit mir, aber ich lebe in einer kleinen Hütte, zusammen mit einer bösen Mutter; die wird dich nicht willkommen heißen“, sagte der junge König.
„Ich nehme alle meine goldenen Ringe, meine Halsketten, meine goldenen Gürtel mit, darüber wird deine Mutter sich freuen und mich vielleicht doch willkommen heißen“, sagte die Prinzessin.
„Ach, ich fürchte, das wird sie nicht“, entgegnete der junge König. „denn all dein Schmuck wird gerade ausreichen, unsere Reise zu bezahlen. Der Weg zu meiner Hütte ist gar weit.“
„Ich will aber trotzdem mit dir gehen“, sagte die Prinzessin.
„Gut, dann mach dich fertig, ich werde indes einen Brief an deinen Vater schreiben. Ich werde ihm schreiben, daß du mit mir gegangen bist, damit er sich nicht um dich sorgt.“
Als der junge König den Brief beendet und die Prinzessin ihren Schmuck und ihre Kleider in ein Bündel verschnürt hatte, schlichen sie über die Hintertreppe aus dem Schloß. Niemand sah sie gehen. Und niemand verfolgte sie, denn in dem Brief hatte der junge König dem Vater der Prinzessin geschrieben, wer er sei und daß er ihn zur Hochzeit rechtzeitig einladen werde. Unterwegs kaufte sich der junge König ein anderes Gewand, denn er wollte das Gauklerkleid nicht länger tragen, und für die Prinzessin Pferd und Wagen, damit sie nicht zu Fuß zu gehen brauchte. Er bezahlte alles von seinem Geld, ihr aber sagte er, er habe ihren Schmuck verkauft.
Als sie in die Nähe seiner Hauptstadt kamen, sagte er der Prinzessin, daß sie nun alles Geld verbraucht hätten und Pferd und Wagen verkaufen müßten, um nicht mit ganz leeren Händen zur bösen Mutter zu kommen.
Die Prinzessin war mit allem einverstanden, sie trug längst ihre Nase nicht mehr hoch und ging zu Fuß neben ihm her.
Der junge König führte die Prinzessin in eine kleine armselige Hütte vor der Stadt. Eine alte Frau hauste darin. Das war die Amme des jungen Königs gewesen, der Prinzessin aber sagte er, daß sie seine Mutter sei. Der Prinzessin gefiel die alte Frau ganz gut, aber in der Hütte fühlte sie sich doch sehr beengt. Die Alte brachte ihnen saure Milch und groben Kuchen und die Prinzessin aß nur wenige Bissen.
„Schmeckt es dir nicht?“ fragte die Alte. „Mein Sohn ist mit solcher Kost erzogen worden und ist er nicht ein prächtiger Bursche? Du aber scheinst mir ein ganz hochnäsiges Ding zu sein.“
So sprach sie, weil der junge König es ihr befohlen hatte.
„Ach, Mutter, zanke nicht mehr“, sagte der junge König. Sie ist nun einmal meine Frau und sie wird sich schon an uns gewöhnen.“
Am nächsten Tag sagte der Prinz: „Höre, liebe Frau, im Schloß wird es ein großes Fest geben. Der junge König wird heiraten. Man sucht Köchinnen; bewirb dich um eine solche Stelle.“
Es gab ihr ein ärmliches Gewand, sie zog es an, und als er sah, wie schön sie auch in dieser Kleidung war und wie gehorsam sie alles tat, was er wollte, war er nahe daran, ihr die Wahrheit zu sagen. Aber dann tat er es doch noch nicht. Sie sollte erst selbst erleben, wie der Tag der armen Leute beschaffen ist.
Die Prinzessin wurde also Köchin im Schloß. Es waren neben ihr noch sehr viele Köche und Köchinnen beschäftigt. Von allen Seiten schaffte man ihr Arbeit an. Und als ihr der Oberkoch mit übriggebliebenen Speisen den Teller anfüllte, da dachte sie einen Augenblick an ihre adelige Herkunft und sie beweinte ihren einstigen Hochmut.
Nachdem in der Küche die Arbeit getan war, wollte sie nach Hause laufen, um das Essen, das sie übrigbehalten hatte, dem Mann und der Schwiegermutter zu bringen. In dem Augenblick, als sie mit dem vollen Topf aus der Küche trat, kam der junge König vorbei. Sie erkannte in ihm nicht ihren Gatten, so prächtig sah er aus.
„Willst du mir nicht die Riemen meines Schuhes binden?“ fragte der junge König mit verstellter Stimme. Sie stellte rasch ihren Topf auf den Boden und wollte vor ihm niederknien. Da erfaßte er sie, hob sie auf seine Arme und trug sie davon. Sie wollte um Hilfe rufen, aber da waren sie schon in seinem prachtvollen Zimmer, und der junge König sprach zu ihr mit seiner natürlichen Stimme, und jetzt erkannte sie ihren Gemahl. Der freudige Schreck hätte sie beinahe umgeworfen.
„Siehst du, mein geliebtes Weib, ich bin der König mit der großen Nase, der dir nicht würdig schien, deine Schuhriemen zu binden; jetzt aber bin ich würdig deines Herzens, wenn du mir verzeihst, daß ich dich an deiner kleinen Nase herumgeführt habe, denn auch ich habe unter deinem Hochmut gelitten.“
Weinend fiel ihm die gar nicht mehr hochnäsige Prinzessen um den Hals. In diesem Augenblick trat ihr alter Vater in das Zimmer, den der junge König für diese Stunde ins Schloß geladen hatte. Und mit Freude gab er ihnen seinen Segen. Auch die vermeintliche Mutter, die alte Amme, kam, und sie bat die junge Königin um Verzeihung, weil sie sie hatte so schlecht behandeln müssen.
Gern vergab ihr die Königin, war es doch zu ihrem Besten gewesen, und es kamen Dienerinnen, die führten die junge Königin in die schönen Zimmer, die für sie vorbereitet waren, und dort lagen die kostbarsten Gewänder und das kostbarste Geschmeide und auch aller Schmuck, den sie selber von zu Hause mitgenommen hatte.
Als sie nun ihre königlichen Gewänder angetan, holte der junge König sie ab und führte sie zu den Gästen, und alles Volk jubelte ihr zu und war glücklisch, eine so schöne junge Königin zu haben.
Quelle: Slowakische Märchen; nacherzählt von Robert Michel und Cäcilie Tandler; Wilhelm Andermann Verlag Wien; 1944
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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