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Anton Harold, Oberamtmann zu Niedernondorf im Bezirk Zwettl
In die Zeit nach 1807 fällt die Sage vom Oberamtmann Anton Harold.
Als Oberamtmann war er eine gar wichtige Persönlichkeit. Er hatte von den Bauern die Steuern einzutreiben, er hatte für Recht und Ordnung zu sorgen, er verwaltete die herrschaftlichen Güter und hielt die Leute zum Robot an. Robot war eine Arbeitsleistung, die die Bauern umsonst für den Grundherrn leisten mußten.
Hatte er zuerst seinen Sitz auf Schloß Rastenberg, so kam er schließlich nach Niedernondorf, wo er seine Amtskanzlei (Herrschafts- und Gerichtskanzlei) im Schloß einrichtete. Am 3. Jänner 1849 starb er im Alter von 70 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof zu Niedernondorf. Die Grabinschrift auf seinem Grabstein, die man allerdings nur mehr schlecht lesen kann, lautet: „Sein Leben war ein Kampf, der Kampf eines Gerechten mit der Gesinnungslosigkeit, dem Undank und dem Schlechten. Von Freunden hochgeliebt, von Feinden selbst geachtet.“
Oberamtmann Harold war ein gestrenger Herr. Die Bauern, die Landarbeiter und die wenigen Gewerbetreibenden. des Ortes hatten große Angst vor ihm. Am meisten fürchteten sie jedoch die Prügelstrafe, die der Oberamtmann wegen kleinster Vergehen oder wegen Steuerrückstände sofort zu verhängen pflegte.
So passierte es fast täglich, daß man das Geschrei der Geprügelten im ganzen Dorfe hören konnte.
Eben war wieder ein Kleinbauer aus Niederwaltenreith zu dem hohen Herrn gekommen. Ärmlich, in grobleinernes Gewand gekleidet, den Hut in der Hand, so wartete er schon mehrere Stunden, daß ihn Oberamtmann Harold empfangen würde. Endlich kam einer der Kriegsknechte des Schlosses und sagte: „He, du, vorwärts, du sollst sofort zum Amtmann in die Kanzlei kommen, er wartet schon auf dich!“
Zitternd vor Angst eilte der Mann in die Stube, wo der hohe Herr seines Amtes waltete. Dieser saß hinter einem mächtigen Eichentisch, der über und über mit Papieren und Urkunden bedeckt war.
Kaum war der Bauer eingetreten, so fuhr er ihn an: „Das dauert aber lange, bis zu erscheinst. Hättest du nicht schon gestern kommen sollen. Zinstag war, du hast wohl auf deine Steuern vergessen. So muß ich dir einen Gulden Zinsen verrechnen. Nun her mit dem Geld!“
Der Bauer, der eine tiefe Verbeugung vor Harold gemacht hatte, stotterte: „Hoher Herr, ich habe leider kein Geld, ich kann die Steuer nicht bezahlen. Wie ihr wißt, hat das Ungeziefer meine Ernte ruiniert, zwei Rinder sind mir auf unerklärliche Weise eingegangen und mein Weib ist schon seit Wochen krank. Ich bitte untertänigst um Stundung meiner Steuern. Sobald ich wieder ein paar Groschen verdiene, werde ich das Geld abliefern.“
„Hört doch diesen Nichtsnutz an“, schrie der Amtmann, „die ganze Woche auf der faulen Haut liegen, fest fressen und saufen und dann kein Geld für Steuern. Dem werde ich gleich abhelfen!“ Er nahm eine große Glocke zur Hand und läutete. Sogleich erschienen drei Kriegsknechte. „Los, packt ihn, auf die Prügelbank mit ihm, zieht ihm zwanzig Streiche über den Rücken, damit er sich merkt, daß zu zahlen ist, wenn die Steuern fällig sind.“
Der Bauer, der sich vor Angst nicht zu wehren traute, wurde zur Prügelbank geschleppt und daraufgebunden. Einer der Soldaten, die meist recht rohe Kerle waren, ergriff einen der in Mengen bereitgelegten Haselnußstecken und begann den Armen zu verprügeln. Bald hallte sein Wehgeschrei über das ganze Dorf. Ängstlich verschwanden die Leute in ihren Häusern und niemand getraute sich ein Wort dazu zu sagen, aus Angst, daß er selbst zur Prügelbank geführt werden könnte. Die Prügelbank ist übrigens heute noch im Antonmuseum in Zwettl zu besichtigen.
Im Schloß war mittlerweile die Züchtigung zu Ende gegangen. Tiefe blutende Striemen hatte der Stecken auf Rücken und Gesäß des Geprügelten hinterlassen. Vor Schmerz konnte er kaum gehen. Die Knechte führten ihn zum Schloßtor, dort stießen sie ihn hinaus.
Mühselig schleppte er sich zu seinem Haus zurück. Wie groß war jedoch sein Entsetzen, als er dort ankam und sah, daß eben einige Männer Harolds mehrere Rinder aus seinem Stall trieben. Weinend stand seine kranke Frau daneben und mehrere kleine Kinder hingen plärrend an deren Kitteilfalten.
„He, was soll das?“ rief der Bauer und humpelte so schnell wie möglich herzu.
„Wir holen die Steuern, die du dem Amtmann schuldig bist“, sagte einer der Knechte. „Geh aus dem Weg, sonst bekommst du noch zwanzig Streiche auf den Rücken!“ rief lachend der andere.
Zähneknirschend stellte sich der Bauer zu seinem Weib und sah ohnmächtig zu, wie sie sein Vieh wegtrieben. Wieder war ein Bauer arm geworden. Tagelang mußte er außerdem noch das Bett hüten, um sich von den Prügeln zu erholen.
So wie ihm, erging es vielen. Es war daher kein Wunder, daß die Leute den Oberamtmann verfluchten und ihm alles Böse wünschten. Als er schließlich starb, da ging ein Aufatmen durch die Dörfer. „Endlich hat ihn der Teufel geholt“, so sagten die Bauern zueinander.
Wohl war der Amtmann verstorben, daß sie ihn aber noch immer nicht los hatten, das sollte sich bald zeigen. Harold, der im Grab keine Ruhe finden konnte, kehrte als Geist zurück und belästigte die Leute bald mehr als zu seinen Lebzeiten.
Kurz nach seinem Tode und kaum lag er unter der Erde, da wurde er bereits wieder gesehen. Sein kleines Söhnchen kam völlig außer Atem zur Mutter gelaufen und rief: „Mutter, Mutter, ich habe den Vater gesehen! Er sitzt auf der Prügelbank und hat Hörner auf.“
Überhaupt schien Amtmann Harold verflucht zu sein, in Ochsengestalt zu geistern. So lag eines Tages bei der Brücke nächst der Lemplmühle (heute Pfeisinger), auf dem Weg von Niedernondorf nach Niederwaltenreith, eine Ochsenhaut. Der Schweif derselben schlug heftig herum. Sobald sich jemand näherte, sperrte sie das Maul auf und eine dicke rote Zunge schlug ständig hervor. Dazu rollte sie mit den Augen und ließ ein tiefes Brummen hören.
„Der Geist Harolds steckt in der Ochsenhaut“, sagten die Leute untereinander und mieden die Brücke. Monatelang fuhren die Bauern querfeldein zu ihren Äckern und die Schulkinder machten weite Umwege, um ja nicht bei der Ochsenhaut vorbeigehen zu müssen. Eines Tages jedoch fand sich ein mutiger Fuhrmann, der seine Pferde in schnellem Trab über die Brücke und an der Ochsenhaut vorbeitrieb. Da war die Haut plötzlich verschwunden.
Doch schon am nächsten Tag machte Harold wieder von sich reden.
Ein Kutscher fuhr am Friedhof vorbei. Er dachte dabei an den Verstorbenen und es wurde ihm unheimlich zumute. So sagte er: „Herr, gib ihm die ewige Ruhe!“ Da fingen auf einmal die Pferde zu laufen an, als ob der Teufel hinter ihnen her sei. Kaum konnte sie der Kutscher bändigen und er war froh, daß er glücklich das Schloß erreichte, wo sich die Pferde allmählich beruhigten.
Als er den Vorfall seinem neuen Herrn meldete, sagte dieser:
„Wie kannst du auch sagen, Gott, gib ihm die ewige Ruhe, das kann Harold nicht hören und du hast Glück gehabt, daß er dir nichts Böses antat. Wenn du wieder vorbeifährst, dann rufe: Da liegt er drin, der gottverlassene Kerl!, du wirst sehen, dann hast du Ruhe.“ Der Kutscher tat wie ihm geraten und konnte nun tatsächlich ohne Zwischenfall am Friedhof vorbeifahren.
Dafür zeigte er sich in Peigarten. Dieser Ort liegt in der Nähe des Ottensteiner Stausees.
Ein Bauer hatte eine neue Scheune erbaut. Als er sie noch einmal besichtigen wollte, da hörte er ein gewaltiges Flattern im Innern der Scheune. Wie entsetzt war er, als er einen Mann bemerkte, der auf einem Balken saß und dessen Ohren länger als seine Hände waren. Mit diesen Riesenohren flatterte er wie ein Vogel. Schnell holte der Bauer einige Männer aus dem Dorf herbei, welche sich mit langen Stangen bewaffneten. Damit versuchten sie, das seltsame Wesen von dem Balken herunterzustoßen.
Der Ohrenmensch begann jedoch ein heftiges Flattern, was solchen Lärm machte, daß es nicht mehr auszuhalten war. Da liefen alle davon. Als sie am nächsten Tage Nachschau hielten, war das Wesen verschwunden. Da sagte einer der Männer: „Ich glaube, Amtmann Harold hat uns einen Streich gespielt.“
So ging es tagaus, tagein. Als die Schulkinder von Niederwaltenreith vom Unterricht nach Hause gingen, lief er ihnen in Gestalt einer großen Schlange bis zum „Roten Kreuz“ nach.
Einem Musikanten, der von einer Tanzunterhaltung heimging, begegnete Oberamtmann Harold als Gespenst mit einer grünen Wintermütze auf dem Kopf und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Kurze Zeit darauf verstarb der Musikant.
Am Loschberg trieb sich Harold oft als Hirsch herum und erschreckte die Leute.
In den Gewölben und unterirdischen Gängen des Schlosses zu Rastbach spukte er in Gestalt eines Hundes, einer Schlange und sogar eines Ziegenbockes. Als Ziegenbock wurde er auch in Wiesenreith des öfteren gesehen.
Als es die Leute schließlich nicht mehr aushielten, holten sie einen jungen, neugeweihten Priester aus dem Stift Zwettl. Dieser sollte versuchen, dem Treiben ein Ende zu setzen.
Der Priester, der im Teufelaustreiben und Geisterbeschwören geübt war, verbannte den Geist des Amtmannes für hundert Jahre auf den Ötscher. Eine andere Erzählung berichtet, daß er ihn in den Loschberger Teich verbannte, wo er als weißer Fisch herumschwimmt. Die hundert Jahre sind schon vorbei, Amtmann Harolds Geist ist nicht mehr zurückgekommen. Er hat wahrscheinlich seine endgültige Ruhe gefunden.
Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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