Der Geizhals von Pöggstall

Einst lebte in Pöggstall ein hartherziger und geiziger Mann, der sehr reich war und sein Geld den armen Leuten nur gegen hohe Zinsen lieh. Konnte einer nicht gleich bezahlen, so klagte er ihn bei Gericht, ließ ihm Haus und Hof versteigern und erwarb meist diese Besitztümer selbst sehr billig, da sonst niemand genügend Geld hatte, um bei den Versteigerungen mithalten zu können. So wurde der Mann immer reicher und reicher, aber auch immer geiziger und geiziger.

Eines Tages, er war schon alt und gebrechlich geworden, stürzte er über einen Felsen und brach sich das Genick. Seine Seele fand aber nach dem Tode keine Ruhe. Häufig sah man in der Dämmerung eine dunkle Gestalt unter den Dachtraufen seines Hauses stehen, aber kein Mensch getraute sich, sich ihr zu nähern.

Unter der Rinderherde, die früher sein eigen war, sahen die Leute oft eine schwarze Kuh mit einem weißen Ring am Hals, welche einen schweren Knüppel an einer Kette nachschleppte. Kein Mensch wußte, wem die Kuh gehörte, und wollte man sie fangen, so verschwand sie plötzlich. So ging bald das Gerede, daß die Seele des Wucherers in der Kuh stecke und dort für die Untaten des Mannes büßen müsse.

Eines Tages geschah es auch, daß zwei Männer, die sich über die Gespenster im Hause des Geizhalses lustig machten, in einem leichten Wagen an jener Stelle vorbeifuhren, wo der Mann verunglückt war. Als sie hier über den Verstorbenen spotteten, da wurde der Wagen plötzlich derart emporgeschleudert, daß sie beide herausfielen und mitten in eine Schmutzlache hinein. Sie rappelten sich empor und begannen fluchend ihre Kleider zu reinigen, da hörten sie plötzlich ein höhnisches Lachen. Als sie aufsahen, sahen sie ein kleines, graues Männchen in den Felsen verschwinden. Später beschworen beide, daß das Männchen das Gesicht des alten, geizigen Mannes gehabt hätte.

Auch in der Ortschaft Laas bei Pöggstall soll sich dieser Geist bemerkbar gemacht haben. Hier saß er wiederholt des Abends vor dem Haus Nr. 7, hatte ein langes, weißes Kleid an und einen Strohhut auf. Nachts polterte er dann auf dem Dachboden herum und trieb es so arg, daß sich niemand mehr dorthin getraute.

Nun traf es sich, daß ein Wirt neben dem Gespensterhaus einen Keller baute und dabei viel Erde ausgrub. Zu ihrem Erstaunen entdeckten die Arbeiter dabei einen großen Schatz, der aus vielen Goldstücken bestand. Seit dieser Zeit gab das Gespenst Ruhe.

Richtig erlöst wurde die Seele des Geizhalses aber erst durch eine arme Witwe, die er während seines Lebens viel betrogen und um ihr ganzes Hab und Gut gebracht hatte. Diese ging eines Abends über eine Wiese ihrem Häuschen zu. Da bemerkte sie ein Licht, das neben ihr herwanderte und ihr in der finstern Nacht den Weg zeigte. Als sie nun bei ihrem Haus angelangt war, da sagte sie zum Licht: „Vergelt‘s dir Gott, daß du mir geleuchtet hast.“ Darauf hörte sie die Worte: „Dank dir‘s Gott, daß du mich erlöst hast!“ Daraufhin war das Licht verschwunden. Auch vom Geist des geizigen Alten hat man nie mehr gehört.

Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer

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