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Der Niks mit dem Katzenwagen
(Göpfritz an der Wild)
Der Niks ist ein naher Verwandter des Wassermannes. Haust der Wassermann in einem Schloß am Grunde eines Baches oder Flusses, so hat der Niks seine gar prächtige Behausung in einem See oder Teich. Vom Niks möchte ich jetzt erzählen, vom Niks, der bei Göpfritz an der Wild in einem Teich gewohnt haben soll.
Göpfritz an der Wild ist ein wichtiger Straßen- und Eisenbahnknotenpunkt. Kreuzt sich doch hier die Franz-Josefs-Bahn mit der Lokalbahn nach Groß-Siegharts und Raabs, trifft sich doch im Ort und in Ortsnähe die Bundesstraße Wien — Gmünd mit den Nebenstraßen nach Waidhofen, nach Groß-Siegharts und nach Allentsteig.
1282 wird Göpfritz an der Wild schon als „Godfrieds“ genannt, ein Ort, gegründet von einem Mann namens Gotfried. Von den Hussiten heimgesucht und oft von schweren Bränden verwüstet wuchs der Ort im Laufe der Jahrhunderte heran und Wurde 1930 zum Markt erhoben.
Wie schon der Name sagt, liegt der Markt am Rande des großen Waldgebietes der Wild. Hier, in einem breiten Tal, entpringt die Taffa, ein Nebenfluß des Kamps. Der Sage nach sollen früher im Quellgebiet der Taffa große Teiche gewesen sein und in einem dieser Teiche wohnte der Niks.
Klein ist er, der Herr der Teiche, und doch voll riesiger Kraft. Manch einer hat ihn gesehen, über ihn gesprochen und dann sein Wissen mit dem Tod bezahlt. Zieht er doch die Menschen gerne unter das Wasser, wenn er ihrer habhaft wird. Doch auch seine Macht ist begrenzt. Sie reicht nur so weit der Boden naß ist, auch
wenn‘s nur ein kleines „Lackerl“ Wasser wäre.
Es war an einem schönen warmen Sommerabend. Ein Jäger hatte sich auf einer der großen Fichten am Ufer einen Hochstand errichtet. Von hier aus konnte man den ganzen Teich überblicken und gut die einfallenden Wildgänse und Wildenten beobachten, von hier aus konnte man auch leicht auf diese zum Schuß gelangen. An diesem Abend wollte dem Jäger aber nichts vor die Büchse kommen. Verärgert saß er schon stundenlang in seinem Versteck. Wohl flogen Dutzende der begehrten Vögel über den Teich, doch keiner kam nahe genug. Als es schon Abend wurde und der Mond sich wie eine brennende Kugel über die Baumwipfel schob, da wußte der Jäger, daß er diesmal umsonst gekommen war und er beschloß heimzuwandern. Eben wollte er vom Hochstand herunter, da hörte er ein merkwürdiges Plätschern im Teich. „Sollte ich doch noch ein Weidmannsheil haben und ein Stück Wild vor den Flintenlauf bekommen“, dachte er und setzte sich wieder zurecht. Er blickte hinunter auf den Teich, dessen Wasser merkwürdig unruhig zu werden begann, Wellen schlugen plötzlich platschend ans Ufer, und in der Mitte des Teiches kräuselten sich die Wasser, als ob ein heftiger Wind sie aufwirbeln würde, doch es war windstill und ruhig.
Da sah er es auf einmal, das Seltsame. Ein winziger goldener Wagen rollte aus dem Wasser ans Ufer. Gezogen wurde er von drei Paar schwarzen Katzen, die heftig miauten und deren Augen wie leuchtende Kohlen funkelten. Auf dem Wagen aber saß der Niks. Ein langes grünes Gewand, wie aus feinen Spinnweben, bedeckte den zwergenhaften Körper, ein dickes Gesicht mit breitem Mund und hervorquellenden Augen, breite lange Finger, die durch Schwimmhäute verbunden waren, so sah er aus, der Niks. Ein kurzer Befehl, den er den Katzen zurief, ein Schnalzen mit der zierlichen Peitsche, und dahin brauste der kleine Wagen, das Ufer entlang, rings um den Teich. Mäuschenstill verhielt sich der Jäger, wußte er doch um die Gefährlichkeit des Wassergeistes, an den er nie so richtig geglaubt hatte. Mehrmals umrundete der Niks in seinem niedlichen Fahrzeug den Teich, was ihm große Freude zu machen schien, dann lenkte er das Gefährt zurück ins Wasser, das aufbrodelte, sich allmählich beruhigte. Schon nach kurzer Zeit war der Teich wieder still und unbewegt und das Mondlicht glitzerte und funkelte im Wasser, als ob man das silberne Schloß des Niks unterm Wasser sehen würde.
Leise stieg der Jäger vom Baum und machte, daß er nach Hause kam. Als er am nächsten Tag sein Erlebnis erzählte, da warnte man ihn und sagte: „Da hast du Glück gehabt. Du warst schon im Machtbereich des Wassergeistes, denn die Bäume am Ufer stehen teilweise schon im Wasser. Er muß dich gut leiden können, sonst hätte er dich bestimmt unter Wasser gezogen!“ Und eine alte Frau meinte dazu: „Sei ihm dankbar! Er hat es gern, wenn man ihm einige Brotbrösel ins Wasser streut oder wenn man ihm alljährlich ein grünes Gewand ans Ufer legt.“
Der Jäger nahm sich diese Worte zu Herzen. Er ließ beim Schneider ein kleines grünes Gewand anfertigen, von dem er annahm, daß es dem Niks passen würde. Dann ging er am Abend wieder hinaus zum Teich. Er legte das Gewand an das Ufer und stieg auf seinen Hochstand. Von oben warf er eine Menge Brotkrümel in den Teich.
Zuerst schien es ihm, als ob viele Fische gekommen seien, die die Brotstücke blitzschnell unter Wasser zogen, doch dann erkannte er, daß es der Niks war. Als der das ganze Brot verzehrt hatte, kletterte er befriedigt brummend aus dem Wasser und ging
wackeligen Ganges zum hingelegten Anzug. Freudig hüpfend schlüpfte er aus seinem Gewand und in die neuen Kleider. Sie schienen ihm sehr zu gefallen. Nachdem er eine Weile am Ufer herumgesprungen war und sich im Wasserspiegel bewundert hatte, drehte er sich um, winkte zum Jäger hinauf und war dann mit einem lauten Platsch wieder im Wasser verschwunden.
Der Jäger hat ihn nie mehr gesehen. Wenn er aber auf seinem Hochstand saß und auf Wassergeflügel jagte, da war es, als wenn ihm jemand die dicksten und fettesten Wildenten und Wildgänse zutreiben würde. Stets kam er mit reicher Beute nach Hause.
Der Niks blieb für immer verschwunden. Er hat auch keinen Menschen mehr unter das Wasser gezogen. Später hat man die Teiche trockengelegt und die nassen Wiesen dränagiert. Der Lebensraum des Niks ist damit verloren gegangen, nur die Sage von ihm lebt noch und spinnt und webt und erzählt immer noch vom
Niks, dem kleinen und doch so gefährlichen Wassergeist.
Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
ISBN ohne Nummer
© digitale Bearbeitung Norbert Steinwendner, St. Valentin, NÖ.
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