Die Kuenringer auf Burg Aggstein

Die Kuenringer besaßen mehrere Burgen in der Wachau, so in Weitenegg, Wolfstein, Spitz und Aggstein. Burg Aggstein ist wohl die mächtigste Feste in der Wachau. Sie gehört eigentlich nicht mehr zum Waldviertel, liegt sie doch bereits südlich der Donau, am Rande des Dunkelsteiner Waldes. Da jedoch der Dunkelsteiner Wald, landschaftlich und auch im Bodenaufbau (Granit und Gneis), viel mehr dem Waldviertel gleicht als dem Mostviertel, und da gerade diese Burg durch viele Sagen und Geschichten an die Kuenringer erinnert, kann man wohl auch in einem Waldviertler Buch über sie schreiben und erzählen.
300 m hoch über dem Donautal liegt sie, auf einem steilen Felsen erbaut und weithin sichtbar, die Burg Aggstein. Die Burgruine ist gut instandgehalten und jährlich kommen viele Tausende von Besuchern den steilen, mehrere Kilometer langen Weg herauf, um von den hohen Türmen den Ausblick zu genießen, der weit ins Donautal hinausreicht, und mit Schaudern vom „Rosengärtlein“ hunderte Meter in die Tiefe zu blicken.
Das „Rosengärtlein“ ist ein schmaler Felsvorsprung, ungefähr 3 m breit und 15 m lang, der senkrecht mehr als hundert Meter in die Tiefe fällt. Aus dem Burginnern gelangt man durch ein niederes vergittertes Tor hinaus. Gefangene wurden oft dort hinausgestoßen und verbrachten viele Tage an diesem fürchterlichen Ort, wobei ihnen meist nur die Wahl zwischen Verhungern und Hinabspringen blieb, was den sicheren Tod bedeutete.
Die Burg selbst wurde um 1100 von einem Nizzo von Gobatsburg, einem Sohn des Azzo von Kuenring, erbaut. Durch ihre Lage und durch die mächtigen Befestigungen und Mauern war sie in der damaligen Zeit uneinnehmbar.
Warum ich so genau über die Burg Aggstein berichte? Weil ihr nun für unsere Geschichte von den Kuenringern große Bedeutung beikommt.
Im Jahre 1230 starb Leopold VI. von Babenberg. Sein Nachfolger wurde sein Sohn, der erst 18-jährige Friedrich. Dieser war von stolzer und kämpferischer Natur, was ihm auch den Beinamen der „Streitbare“ einbrachte. Es gefiel ihm gar nicht, daß die Kuenringer so mächtige und einflußreiche Herren waren. Er versuchte, ihnen verschiedene Rechte zu nehmen. Dies gefiel nun wieder den Kuenringern nicht und so kam es zum Streit.
Die Herrschaft in den Besitzungen der Kuenringer teilten sich damals zwei Brüder, Hadmar und Heinrich. Sie beschlossen, dem Herzog Friedrich Widerstand zu leisten; Heinrich von den Burgen im Inneren des Waldviertels aus (Zwettl, Rappottenstein, Weitra), Hadmar von den Wachauburgen aus (Dürnstein, AggStein).
Hadmar eröffnete den Kampf, indem er mit seinen Soldaten die Städte Krems und Stein überfiel, niederbrannte und plünderte. Als Herzog Friedrich mit großer Heeresmacht heranzog, um Hadmar zu überwältigen, kehrte dieser in seine Burgen zurück, um sich hier zu verteidigen. Friedrich gelang es wohl, nach längerer Belagerung Dürnstein zu erobern, die unbezwingliche Burg Aggstein jedoch, wo sich Hadmar verborgen hielt, spottete allen Angriffen. So sah sich Friedrich gezwungen, eine List anzuwenden, um endlich des Kuenringers habhaft zu werden.
Die Kuenringer hatten nämlich unterhalb der Burg eine mächtige Eisenkette über die Donau gespannt. Diese lag für gewöhnlich auf dem Grunde des Stromes. Am Ufer hatte man jedoch eine Maschine erbaut, mit deren Hilfe die Kette gespannt werden konnte.
Wurde die Kette gespannt, so konnte man damit alle Schiffe aufhalten, die den Donaustrom herabfuhren. In Friedenszeiten geschah dies, um Maut und Zoll von den Schiffen zu kassieren, jetzt, wo Krieg zwischen Kuenringern und Babenbergern herrschte, um die Schiffe auszurauben, um die damit für die weiter stromabwärts gelegenen Orte, besonders Wien, beförderten Lebensmittel zu beschlagnahmen und die reichen Handelsherren gefangenzusetzen. Meist wurden diese dann auf das „Rosengärtlein“ befördert, wo sie so lange verblieben, bis ihre Angehörigen ein hohes Lösegeld bezahlt hatten.
Herzog Friedrich, der dies wußte, ließ nun in Linz ein Schiff ausrüsten, das auf Deck wie ein Kauffahrerfahrzeug aussah, in dessen Innerem sich jedoch Dutzende gut bewaffneter Soldaten befanden. Dieses Schiff schwamm nun langsam die Donau hinunter.
Im höchsten Türm der Aggstein saß stets der Turmwärter und beobachtete durch ein kleines Fenster den Strom. Schon von weitem sah er. das Schiff. Schnell lief er zu Hadmar und meldete:
„Herr, ein Schiff kommt die Donau herab, ich glaube es ist ein Handelsschiff!“ „Du bringst eine gute Meldung“, antwortete Hadmar, „es war ohnehin schon seit Wochen nichts mehr los. Schnell, rufe die Männer zusammen, spannt die Kette, wir wollen es aufhalten und uns ansehen, was die Schönes an Bord haben.“ Im Nu hatten sich der Kuenringer und seine Leute gewappnet und bewaffnet, bestiegen die Pferde und im Galopp ging es zum Donauufer. Dort wurde die Kette gespannt und alle blickten erwartungsvoll auf das Schiff, das schon in Sicht kam.
Bald prallte es mit lautem Klirren gegen die Kette und stand still. Aufgeregt liefen auf dem Deck einige Männer umher und täuschten große Angst vor. Der Kuenringer und seine Leute stiegen in bereitgehaltene Boote und ruderten hinzu. Kaum hatten sie das Schiff erreicht, stiegen sie auch schon über die Bordwände an Deck. Eben wollte Hadmar damit beginnen, die Kaufleute zusammenzutreiben, da öffneten sich plötzlich die Luken und überall strömten Bewaffnete hervor. Hadmar, der erkannte, daß er in eine Falle gegangen war, wehrte sich verzweifelt, aber es nützte ihm nichts. Schon nach kurzer Zeit waren er und seine Spießgesellen überwältigt und gebunden. Anschließend wurde die Kette gelockert und das Schiff schwamm ungehindert bis Wien, wo die Raubritter ins Gefängnis geworfen wurden.
Kurz darauf übergab die restliche Besatzung der Aggstein, die ja nun den Anführer verloren hatte, die Burg an Friedrich.
Herzog Friedrich marschierte weiter ins nördliche Wald- viertel, wo er die Kuenringerstädte Zwettl und Weitra besetzte. Damit war die Macht der Kuenringer gebrochen und sie mußten sich auf Gnade oder Ungnade ergeben. Friedrich war ihnen jedoch ein milder Richter. Er söhnte sich mit Heinrich und Hadmar aüs und gab ihnen ihre Besitzungen wieder zurück.

Quelle: Waldviertler Heimatbuch, Helmut Sauer, Verlag Josef Leutgeb, Zwettl, 2. Auflage 1977, Band I
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